Der Titel Ihres neuen Albums "Sixes & Sevens" hört sich ja sehr nach Kartenlegen an.
Dachte ich auch zuerst, aber es ist ein Slangausdruck aus England, den ich einfach umgedeutet habe. Ich hab jedenfalls ein Faible für Zahlen und Karten. Dabei kenne ich mich nicht mal mit Tarot aus und weiß auch nicht, was "Sixes and Sevens" auf Cockney-Englisch bedeutet. Der Titel meines neuen Albums steht für eine gewisse Leichtlebigkeit. Ich bin eher Glücksspieler als Ballettänzer, wenn Sie wissen, was ich meine.
So ungefähr. Ich finde jedenfalls, Sie sprengen die Stilgrenzen des klassischen Songwritings mit Anleihen aus der Welt des Showbusiness.
Showbusiness-Aspekte setze ich sehr bewusst als Stilmittel ein. Mehr als mit Musikern identifiziere ich mich allerdings mit Filmemachern, und zwar in dem Sinne, dass ich genau wie diese großen Wert auf jedes noch so kleine Detail lege. Wenn ich einen Film von Wes Anderson im Kino sehe, möchte ich das Gleiche auf dem Gebiet der Popmusik erreichen. Ich mache großes Kino für die Hörer.
Sie haben vor kurzem an dem Soundtrack zum US-Filmhit "Juno" mitgewirkt.
Oh ja, der Film handelt von einem 16-jährigen Mädchen und seiner ungewollten Schwangerschaft. Die Hauptdarstellerin singt am Ende des Films einen Song meiner alten Band Moldy Peaches, "Anyone else but you" fungiert während des ganzen Films sozusagen als Erkennungsmelodie. Der Film ist in den USA ziemlich eingeschlagen. Deshalb waren die vergangenen Wochen auch total verrückt. Auf einmal wollen alle mich und Kimya Dawson [Greens Partnerin bei den Moldy Peaches] interviewen und wir sollen andauernd mit unserem Song im Fernsehen auftreten. Und als wäre das nicht genug, wurden wir vor kurzem auch noch von Whoopie Goldberg interviewt. Der ganze Hype traf uns völlig unvorbereitet. Wir haben eigentlich auch gar keine Lust, die Moldy Peaches wiederzubeleben, aber die Leute rennen uns jetzt die Bude ein.
Die meisten Leser werden Sie mit Ihrem Hit "Jessica Simpson" in Verbindung bringen.
Damals war ich noch ziemlich grün hinter den Ohren und meine Songs funktionierten nach dem immer gleichen Strickmuster. Inzwischen weiß ich sehr viel mehr über Songwriting. Bei meinem neuen Album habe ich die Sache etwas mehr laufen lassen und denke nicht mehr so viel über meine Songs nach. Aber ich bedauere meine ersten Alben auch nicht, immerhin haben Sie mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin.
Wie schaffen Sie es eigentlich, dass Ihre Songs, trotz der zahlreichen Zitate immer unverkennbar nach Ihnen selbst klingen?
Wenn ich von anderen Künstlern klaue, steckt am Ende dann doch immer sehr viel von mir in den Songs. Aber besser so rum, als wenn ich mich bei den Rolling Stones bediene und mein Lied dann auch noch exakt wie die Stones klingt. Als ich zum erstenmal ihren Song "Honky Tonk Woman" gehört habe, dachte ich, wow, so ein Lied muss ich auch schreiben. Nach drei Wochen habe ich aufgegeben. Es hat also alles sein Gutes.
In dem Song "It cannot get sicker" reimen Sie "Money" auf "Funny" und dennoch hauchen Sie diesem abgegriffenen Reim neues Leben ein.
Sicher, je abgegriffer die Reime, desto eher benutze ich sie. Ich bin wahrscheinlich sehr faul. Aber das liegt auch daran, dass ich aus dem Stegreif reime, live zur Musik, die ich gerade spiele. In die Gitarrenakkorde oder Drumparts kann ich nichts von mir selbst reinpacken, in die Texte schon.
Sie haben eine sonore Stimme. Sogar, wenn Sie todernstes Zeug singen, fällt es schwer, Sie ernstzunehmen, weil Sie wie ein Teddybär klingen.
Ich behaupte das Gegenteil: dass sich meine Stimme nämlich von Album zu Album verändert hat. Und so funktioniere ich auch als Mensch, sonst würde mir meine Tätigkeit als Singer-Songwriter keinen Spaß machen. Es gibt doch nichts Schlimmeres als Gleichförmigkeit. Deshalb habe ich auf dem neuen Album zum ersten Mal mit einem Gospelchor zusammengearbeitet. Da meine Stimme sehr tief ist, hat der Chor sehr viel klanglichen Freiraum in den höheren Registern. Ähnlich lief es bei meinem Album "Friends of Mine" als ich zum erstenmal Streicherarrangements verwendete. Es war als Experiment angelegt, aber es hat prima funktioniert.
Womit liebäugeln Sie eher, mit Authentizität oder mit Inszenierung?
Lassen Sie es mich so sagen: Wenn ich Songs schreibe, dann bin ich allgemein bester Laune. Selbst, wenn ich über Angstzustände schreibe, dann schreibe ich darüber zu einem Zeitpunkt, an dem es mir gut geht. Wenn es mir nämlich wirklich dreckig geht, dann bin ich zu überhaupt nichts fähig und schon gar nicht zum Musikmachen. Das Gute beim Singen ist, dass es meine Launen regelt. Ich kann dabei nervöse Spannung abbauen, weil mein ganzer Körper beim Singen vibriert. Mich beruhigt das ungemein. Mir ging es selbst auch so bei der Aufnahme, ich war gar nicht angespannt, ganz anders als früher, da habe ich sehr viel Zeit darauf verwendet, dass die Musik exakt dem Artwork entspricht. Vielleicht war ich zu verklemmt. Das bin ich jetzt nicht mehr.
Treten Sie deshalb im Video zu Ihrem Song "Morning after Midnight" als Frau auf.
Ja, ich trage ein Kleid, Make-up und falsche Wimpern. Das wollte ich schon immer mal machen und ich finde, ich mache mich dabei ganz gut. Der Clip handelt von einer großen Nacht mit lauter schönen Frauen. Sie brennen geradezu darauf, mit mir abzuhängen und schrubben meinen Rücken in der Badewanne. Gottseidank war meine Freundin nicht bei den Dreharbeiten dabei, sonst hätte sie mich erwürgt.
Ist New York eine Inspiration für Sie?
Ehrlich gesagt habe ich schon oft versucht fortzuziehen, nach Berlin oder nach Paris. Aber ich komme irgendwie nicht weg aus New York, die Stadt übt magnetische Kräfte auf mich aus, es gibt kein Entrinnen. Ich mag New York. Es kommt mir immer vor wie der Flur in einer Wohnung. Jede Straße ist eine andere Tür in einer anderen Wohnung.
Interview: Julian Weber