Vielleicht muss man das ja so machen, wenn man Popstar werden will. Sich eine Strategie ausdenken, sich »so quasi bei Promis einschleimen, so ganz dreist irgendwie«, wie Maximilian Hecker es nennt. Vielleicht muss man doch nur auf die richtigen Partys mitgenommen werden. Sekt trinken mit den Menschen, die die Plattenverträge verteilen; sich ein Image basteln, Mythen bedienen. Weil es vermutlich sogar naiv ist, zu glauben, es reiche, einfach nur Musik zu machen.
Jetzt hat er seine erste Platte »Infinite Love Songs« eingespielt, und sie ist beachtlich. Hübsche, traurige Lieder mit den richtigen, ewigen Akkorden an den richtigen Stellen zu den richtigen, ewigen Themen Liebe, Leid und Kummer. Er bedient sich kräftig im Britpop und hat nichts wirklich Eigenes vorzuweisen. Doch die Platte verfängt. Hat Charme. Und wird in der Fachpresse gar als »eine der hinreißendsten, heimeligsten, ehrlichsten, gefühlvollsten Tränen-Pop-Platten des Jahres« gehandelt.
Doch irgendwas stört einen an dem 24-Jährigen. Es ist diese offen zugegebene Berechnung, mit der er sich den Mythos des Jungen von der Straße zusammengebastelt hat; ein Junge, der zugibt, »dass 'ne leichte Pennerattitüde sehr gut zum Straßenmusikanten-Image passt«. Aha.
Es fing damit an, dass er sich nicht vor irgendein Karstadt-Haus stellte, sondern in die Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte, wo die Leute rumlaufen, die die richtigen Partys kennen und die Kontakte haben. Da stand er mit der Gitarre in der Hand und sang mit hoher Stimme die Musik seiner Helden. Oasis, Beck, Nirvana. Nicht das Straßen-Standardprogramm, das einen erwartet, wenn man mit Einkaufstüten aus einem Geschäft kommt. Nicht »Take Me Home, Country Roads« oder »Sweet Home Alabama«. Musik, die auf der Straße funktioniert, Musik, die auf die Straße gehört. Doch er spielte ja, um die richtigen Leute auf sich aufmerksam zu machen.
Und das hat geklappt. Diese richtigen Leute nahmen ihn auf eine dieser Partys mit, wo man ihn seine Lieder vortragen ließ. Man sah was in ihm und gab ihm seine Chance. Bald schon kam der Plattenvertrag, und fertig war die schöne Geschichte des Straßenmusikers, der sich hoch spielt. Eine dieser mythischen Geschichten, die man gern hört. Über einen, der von unten kommt. Doch dieses verdammte Kalkül! Der Künstler soll es gefälligst nicht darauf anlegen! Das kratzt am Mythos. Doch bedenkt man, wie die Plattenindustrie Künstler wie No Angels, Jeanette Biedermann oder Bro'Sis in die Charts prügelt, soll man sich nicht so anstellen: Hecker hat nur das System durchschaut. Man muss das wohl doch so machen, wenn man Popstar werden will. Auch wenn es einem nicht passt.
Oliver Link