Keschmesch: Anders gesagt
"Sie reden mit dir wie mit einem Schwachsinnigen"
Ich öffne einen Spalt breit die Tür zu meinem Traum, um meinen Opa noch einmal Lachen zu hören.
Er lachte so herzlich, so laut, dass er manchmal husten musste vor Lachen.
Und ihr wisst, wie das ist, im Alter emigrieren heißt: Einsamkeit, Demütigung, Unsicherheit.
Er lachte trotz alldem oder gerade deswegen.
So ein starkes Lachen.
„Ohne mein Unglück könnte ich noch nicht mal Witze über mein Unglück machen“, sagte er.
Und witziger als er war kaum ein Mann.
Aber hier kam nichts davon an.
Eine scheiß Kluft klafft zwischen dem, was er sagen will und dem was er sagen kann.
Sie sagen Sprachbarriere, denn im Alter emigrieren heißt Fremdes lesen und Fremdes schreiben.
Beim Gespräch in Vorhöfen stecken bleiben.
Stockend sprechen, sich selbst unterbrechen, ständig stammeln, mit Nachbarn kaum über einen Gruß hinaus gelangen.
Und Bekannte, Beamte, Verkäuferinnen, sie reden mit dir,
jedes Wort überdeutlich artikulierend, wie mit einem Schwachsinnigen.
Im Alter emigrieren heißt: fremd sein und fremd bleiben.
An meinem Großvater Mansour und all unsere Großeltern: Euch widme ich diesen Text.
Und ich hoffe, da wo ihr jetzt weilt, flattert euer Lachen durch ein Haus, in dem ihr keine Gäste mehr seid.
Und es freut euch, dass euer Geist in uns gegenwärtig ist, denn ihr habt einen Samen gesät, der hier Früchte trägt.
Lachen trotz alledem.
Oder gerade deswegen.
Leid in Lachen wandeln, das ist Alchemie.
Und wir machen da weiter, wo ihr aufgehört habt.
Bis wir Kinder haben und euer Geschenk weiterreichen an sie.
Leid in Lachen wandeln, das war deine Alchemie.
Und wenn ich jetzt aus meinem Traum trete, behalte ich die Erinnerung, bis ich Kinder und Enkel habe und dein Geschenk weiterreichen kann an sie.