Wer einmal an einem Adventswochenende in der Innenstadt versucht hat, Weihnachtsgeschenke einzukaufen, wird verstehen, warum ich Online-Shopping liebe. In Deutschlands Fußgängerzonen quetschen und drücken sich Massen durch die Gassen, in den Läden pendelt die Stimmung zwischen nerviger Hektik und blanker Panik, es wird gerafft, was geht und zur Kasse geschaufelt. Dort stehen dann drölfzig Menschen vor einem - und gehen im Geiste die Liste mit den abgearbeiteten Weihnachtsgeschenken durch.
Ja, Weihnachtsshopping ist Arbeit, sogar eine sehr unangenehme. Vielleicht war das nicht immer so, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich entstamme der Generation Weihnachtsstress, wo wenig selbst gefilzt oder gestrickt und viel im Laden zusammengeklaubt wird. Und in solchen Momenten ist groteskerweise das Internet Teil der Entschleunigung. Man schnappt sich das Tablet und liegt bei guter Musik und heißem Tee auf dem Sofa, stöbert sich durch allerlei Shops und genießt die vorweihnachtliche Besinnlichkeit. Eigentlich, in der Theorie.
Attacke, es ist Cyber Monday!
Denn das von Amazon und Co. ausgerufene Hallali zum Weihnachtseinkauf im Netz bringt das Schnappatmige, dass Raffgierige in die digitale Welt. Ab dem Cyber Monday erhöht sich der Druck auf den Kunden. Durch kurzzeitige Blitzangebote (so bei Amazon) fühlt man sich auch auf dem Sofa wie beim Dauerlauf. Andere zählen die noch lieferbaren Artikel wie einen Countdown runter. Längst unhaltbare UVP sollen mich glauben lassen, dass der neue Preis wirklich so billig ist, dass ich das Produkt sogar dann kaufen muss, wenn ich es nicht brauche. Egal, kaufen! Kaufen! Kaufen! JETZT KAUF DOCH ENDLICH!
Stress macht sich breit, der Atem wird flach. Eine Bohrmaschine für Vati, ein Topfset für Mutti - das haben sie zwar alles schon. Aber egal, gibt es ja gerade billig. Dunkel erinnere ich mich an die Fernsehbilder von damals, als Menschen hinter den breiten Glastüren der Warenhäuser auf den Startschuss des jeweiligen Schlussverkaufs in den Tiefstart wechselten. Gesichter drückten sich an den Scheiben platt - und dann wurde die gierige Meute reingelassen. Es wurde gezerrt, gezupft, gerissen, geschlagen, um Dinge, die man auf den ersten Blick nicht braucht. Und auf den zweiten schon hat.
Man schenkt Geschichten und keine Preisschilder
Nun regiert dieser Kampf um Schnäppchen auch im Netz. Mehr denn je, schon gefühlte Wochen vor dem Cyber-Monday-Start wird über ihn geschrieben. Im Minutentakt kommen neue Angebote. Nur für kurze Zeit, gnadenlos reduziert, Kampfpreiszeit. Dumm ist, wer nicht mitmacht.
Ich mache nicht mit. Zum einen habe ich bisher wenig Hirnschmalz darauf verwandt, mir Gedanken über Geschenke zu machen. Denn natürlich will ich beschenken. Ich glaube nicht an dieses "In diesem Jahr werden wir uns aber wirklich nichts schenken"-Geblubber. Schenken macht Spaß, wenn das Präsent mehr ist als die Zahl auf dem Preisschild. In erster Linie schenkt man einen Gedanken, den man hatte. Man verschenkt eine Geschichte, die man mit dem Menschen teilt. Eine Information, die man über einen Menschen hat - und in ein Produkt ummünzt. Doch das panisch-digitale Wühlen beim Cyber Monday ist nicht die Antwort auf meine unbeantworteten Verschenke-Fragen. Vielleicht fange ich in diesem Jahr an, etwas zu stricken. Oder zu filzen. Bei guter Musik und einem heißen Tee.