Lifta Schöner schweben

Warum nur mit dem Auto protzen? Treppenlifte sind mehr als eine Lebenshilfe. Die Topmodelle des Marktführers Lifta gelten in Seniorenkreisen fast so viel wie ein Mercedes.

Wer nicht wahrhaben will, dass Deutschland vergreist, sollte nach Köln in die Horbeller Straße 33 fahren. Hier sitzt die Firma Lifta. Sie stellt Sitzgelegenheiten her, die gebrechlichen Menschen Stiegen hinauf- und hinabbefördern können. Das Geschäft des Treppenlift-Marktführers brummt: Binnen zehn Jahren hat Lifta den Umsatz auf 51 Millionen Euro verdreifacht und wächst weiter um jährlich zehn Prozent.

"Unser Produkt war nicht gerade sexy", räumt Geschäftsführer Axel Jaschek ein, "aber das ändert sich gerade." Im Schulungsraum lässt er sich in das neueste Modell "Avantgarde" mit dem bordeauxroten Sitzbezug sinken. Er ergreift den Fahrhebel an der rechten Armlehne, und mit einem leisen Säuseln beginnt der Stuhl, die kurze Treppenattrappe zu erklimmen. Ein Meter in sieben Sekunden.

Herr Jaschek und sein Chefpartner Hartmut Bulling sind 41 und 46 Jahre alt und damit rund 20 Jahre von ihrer selbst definierten Zielgruppe entfernt. Auf 35 Seiten haben sie Statistiken und Fakten zusammengestellt, um den Glaubenssatz ihres Business zu belegen: "Die alten Leute wollen heute mobil bleiben." Dort steht zum Beispiel, dass über 60-Jährige häufig die Treppe hinunterstürzen. Dass sich Bad und Schlafzimmer nicht selten auf verschiedenen Etagen befinden. Dass Rentner eine Menge Geld haben. Dass der Anteil der Seniorinnen mit Führerschein in den vergangenen 30 Jahren von elf auf 75 Prozent gestiegen ist. Und wer will schon aufs Autofahren verzichten, nur weil er nicht mehr aus eigener Kraft vom ersten Stock ins Erdgeschoss gelangt?

Bislang warben Herr Jaschek und Herr Bulling vorwiegend im Vereinsblatt "ADAC-Motorwelt", in der Regenbogen-presse oder in Fernsehbeilagen wie "Prisma" oder "RTV" für ihre Ware. Die Motive zeigten innige Szenen der Gebrechlichkeit. Knapp 30 Jahre nach Firmengründung wollen sie nun raus aus der beigen Trostlosigkeit der Seniorenwelt. Wie einst die Brille soll sich der Treppenlift vom Notbehelf zum Lifestyleprodukt wandeln. Warum ihn nicht gleich ins neue Eigenheim einbauen, man könnte sich ja mal den Fuß brechen? Britische Designer der Agentur Seymourpowell, die sonst für Jaguar und BMW nachdenken, versuchen den Sitzmöbeln den Klinikcharme zu nehmen. Im neuesten Lifta-Prospekt po-sieren nicht mehr taperige Grauschöpfe, sondern agile Best-Ager vor dem Sessel-lift. Als hätten sie nur darauf gewartet, auch mal das Tablett fürs gemeinsame Bett-Frühstück per Treppenaufzug ins Obergeschoss fahren zu können.

Herrn Bulling gefällt die Werbebot-schaft "Ich kann mir einen Lifta leisten." Ein schnurgerader Sechs-Meter-Lift zehrt mit rund 6000 Euro an der Pension, ein Modell, das Kurven nimmt, kostet das Doppelte - obwohl sie preiswert in Großbritannien, Holland und Schweden produziert werden. Die Oberklasse der Treppensteiger lässt sich inzwischen auch mie-ten: für 98 Euro pro Monat plus einer einmaligen Zahlung von 2850 Euro.

Lifta verkauft mit rund 6000 Exemplaren pro Jahr so viele Lifte wie die rund 110 kleinen Wettbewerber zusammen. Das liegt zum einen am 365-Tage-Service. Er stellt sicher, dass Oma auch am Sonntag nicht auf der Treppe versauert, wenn der Fahrstuhl bockt. Vor allem aber funktioniert das ausgeklügelte Vertriebssystem: Die Altkunden selbst agieren als Verkäufer, indem sie Bekannte und Verwandte gern Probe fahren lassen. Man kann sich halt einen Lifta leisten. "Manchmal verkaufen wir in einem Gebiet zehn Jahre kein einziges Produkt", sagt Bulling. "Dann eines - und plötzlich gewinnen wir rundherum jede Menge Kunden." Auf dem Land zieht der Ein-bau eines Treppenliftes nicht selten mehr betagtes Publikum an als das örtliche Königsschießen.

morgenstern

Es geht ums Geld – der Finanz-Newsletter

Ob Bausparvertrag oder Bitcoin – machen Sie mehr aus IhremGeld: Der stern weist Ihnen in diesem Newsletter den Weg durch den Finanz-Dschungel, kompakt und leicht verständlich, mit konkreten Tipps für den Alltag. Immer freitags in Ihrem Postfach. Hier geht es zur Registrierung

Um die Werbekraft der Kunden zu erhalten, betütert sie Lifta mit Nachdruck. Die Kölner veranstalten quer durch die Republik Tanzvergnügen für Gehbehinderte in feinsten Hotels oder organisieren Bustouren zur Tulpenblüte nach Holland (Motto: "Viel sehen, wenig gehen"). Verkauft wird dabei nichts. Auch die Kundendienstmitarbeiter sind zu Seniorenverstehern ausgebildet: Sie wechseln nach der Wartung schon mal eine Glühbirne in der Deckenlampe oder saugen kurz durch. "Viele Kundinnen backen extra einen Kuchen, wenn unser Kundendienstler kommt", sagt Bulling.

Wer alte Menschen nicht mag, bekommt bei Lifta keinen Job, obwohl Herr Jaschek und Herr Bulling ständig neue Mitarbeiter suchen. "Wir stellen gerne Leute ein, die den Charakter eines kommunikativen Zivildienstleistenden haben, aber nie einen Autoverkäufer", sagt Jaschek, steigt vorsichtig vom "Avantgarde" und streicht noch einmal beseelt über die bordeauxrote Sitzfläche.

print
Rolf-Herbert Peters