Seit geraumer Zeit wird insbesondere aus Paris erheblicher Druck ausgeübt, der Niederländer möge seinen Stuhl noch in diesem Jahr räumen. Bereits zum Beginn seiner Amtszeit im Juni 1998 war klar, dass Duisenberg schon aus Altersgründen seinen Vertrag von acht Jahren nicht bis zum Ende erfüllen wird. Doch politischem Druck wollte er sich nicht beugen.
Diplomatischer Kniff
Dieses Dilemma hat der einstige niederländische Notenbankchef am Donnerstag mit diplomatischem Geschick gelöst. Zwar gab er seinen Rücktritt bekannt, aber erst zum 9. Juli 2003 zu seinem 68. Geburtstag. Einen Rückzug auf Grund äußerer Pression kann man ihm damit nicht nachsagen.
Startschuss für Nachfolge-Diskussion
Nach der größten Bargeldumstellung in der Währungsgeschichte, die reibungslos über die Bühne ging, wird er als erfolgreicher »Mr. Euro« in Erinnerung bleiben. Darüber hinaus wird seine Entscheidung symbolträchtig umrahmt. Vor genau zehn Jahren wurden im niederländischen Maastricht die Verträge über die Bildung einer gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Währungsunion unterzeichnet. Genau an diesem historischen Ort gibt der Niederländer nun den Startschuss für die sicher hitzige Nachfolge-Diskussion.
Euro ist hart
Duisenberg hat es geschafft, den EZB-Konvoi durch das Minenfeld nationaler Empfindlichkeiten zu lotsen. Mit Kritik und Skepsis reichlich konfrontiert konnte der Hobbysegler die unbekannten Gewässer der Europäischen Währungsunion bislang ohne Havarie meistern. Nach gut drei Jahren behutsamer Navigation ist der Euro trotz aller Unkenrufe eine der härtesten Währungen der Welt. An eine Inflationsrate von rund zwei Prozent kann sich kaum ein Euroländer erinnern, waren doch in der Vergangenheit fünf oder gar zehn Prozent - vor allem in südlichen Gefilden - Normalität.
Währungsprojekt gelungen
Schließlich ist sein Name mit dem bislang kühnsten Währungsprojekt verbunden: Mehr als 300 Millionen Menschen verschiedener Nationen und Kulturen erhielten eine Währung - und dies ohne das Fundament eines einheitlichen Staatengebildes.
Bodenständiger Stabilitätsfanatiker
Dem Stabilitätsfanatiker half bei seinem schweren Job diplomatisches Geschick, enorme Erfahrungen aus zahlreichen internationalen Positionen - verbunden mit niederländischer Liberalität. Lebenslust gepaart mit Schalk und Schlitzohrigkeit erleichtern dem »Herren des Euro« das Geschäft. Doch hinter dem meist lächelnden Gesicht, umrahmt von weißer Haarpracht, steckt auch Durchsetzungswille. Sein Freund und einstiger Kollege, der deutsche Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer, macht dafür die friesische Herkunft von Duisenberg verantwortlich. Als bodenständig und auch unbeugsam gilt dieser Menschenschlag.
Sieg über französischen Kandidaten
Duisenberg studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Groningen und promovierte 1965 mit einer Arbeit über die »Wirtschaftlichen Folgen der Abrüstung«. Der Sozialdemokrat bezeichnete seine Karriere selbst als »Summe von Zufälligkeiten«, was aber niemand recht glauben mag. Zu den wichtigsten Stationen seiner Laufbahn zählen der Internationale Währungsfonds, Finanzminister der Niederlande, Vizepräsident der holländischen Rabo-Bank und Chef der niederländischen Zentralbank. Spektakulär war schließlich der Sieg über seinen französischen Kollegen Jean-Claude Trichet im Wettlauf um die Spitzenposition im Frankfurter Euro-Tower.
Mächtig ohne wirkliche Macht
Der vom Keynesianer zum moderaten Monetaristen gewandelte Ökonom gilt heute als mächtigster Politiker in Europa. Keine Regierung, kein Parlament und keine Wahl konnten ihn zum vorzeitigen Rücktritt zwingen. Doch die vermeintliche Macht ist nur äußerlich. Die Bundesbank konnte es sich noch leisten, im Konfliktfall einen harten Konfrontationskurs gegen die Bundesregierung zu fahren. Die EZB würde dies gegen ein Dutzend Regierungen in Euroland kaum überstehen. Deshalb muss Duisenberg wie ein Wanderprediger immer wieder die nationalen Regierungen ermahnen, ihre Staatshaushalte zu sanieren und die Schwindel erregenden Schuldenberge abzubauen.