Schuldenkrise Für und Wider einer Griechen-Pleite

  • von Martin Kaelble
Eine Insolvenz des Mittelmeerlandes gilt in Deutschland vielen als beste Lösung zur nachhaltigen Beendigung der Euro-Krise. Doch sie birgt enorme Kosten und Gefahren. Ein Realitätscheck.

Über Sinn oder Unsinn einer Pleite Griechenlands streiten Politiker, Wissenschaftler und Analysten seit Monaten. Insolvenzbefürworter argumentieren: Eine offizielle Bankrotterklärung sei angesichts des Schuldenstands von mehr als 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und kaum Aussicht auf baldiges Wachstum unausweichlich.

Dahinter steckt die Hoffnung, dass eine Pleite einen Konsolidierungserfolg Griechenlands wahrscheinlicher machen, die Märkte beruhigen und die richtigen Anreize für Regierungen schaffen könnte, in Zukunft zu sparen. Doch können diese Erwartungen erfüllt werden - und wenn ja, zu welchem Preis? Ein Faktencheck.

Was wären die direkten Folgen einer Umschuldung?

Die privaten Halter der Anleihen müssten einen zu verhandelnden Anteil des Werts abschreiben. Das wären nicht nur Banken, sondern auch Versicherer. Halter von Lebensversicherungen wären beispielsweise dadurch geschädigt. Auch öffentliche Kredite an Griechenland müssten abgeschrieben werden. Einzig IWF-Kredite würden vorrangig bedient. Besonders pikant: Bislang macht Deutschland bei den Krediten an Griechenland Gewinne - durch Aufnahme des Geldes zu niedrigen und Vergabe an die Griechen zu hohen Zinsen. Bei einer Umschuldung mit einhergehender Abschreibung der Kredite entstünden jedoch Verluste für den deutschen Steuerzahler.

Was wären die Vorteile?

Griechenland könnte auf einen Schlag seinen Schuldenstand deutlich verringern. Damit bekäme das Land im Idealfall eine bessere Perspektive, seinen Staatshaushalt zu sanieren und wieder Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen. Denn mit dem Schuldenschnitt würde die Zinslast sinken. Allein um die Zinszahlungen leisten zu können, muss Griechenland derzeit enorme neue Schulden machen. Dieser Teufelskreis könnte durchbrochen werden. Mit einer geringeren Schuldenlast könnte auch die notwendige Unterstützung durch andere Euro-Staaten geringer werden.

Was wären die Risiken?

Umstritten sind die Folgen für den europäischen Finanzsektor. Banken oder Versicherer, die griechische Anleihen halten, hätten Ausfälle in ihren Bilanzen. Einige Ökonomen betonen zwar, dass viele Banken ohnehin bereits einen Großteil ihrer Griechenland-Forderungen abgeschrieben haben. Doch es bleibt ein Risiko durch die teils undurchsichtige Verflechtung der Finanzmärkte. Hinzu kommt der psychologische Faktor. Auch 2008 bei der Investmentbank Lehman Brothers hieß es: Um keine falschen Anreize zu setzen, müsse man die Investmentbank pleitegehen lassen. Dabei wurde unterschätzt, welche enormen Auswirkungen die daraus entstehende Unsicherheit hatte. Die Weltwirtschaft verfiel in Schockstarre, es kam zum Crash. Ob eine Umschuldung auch jetzt wieder zu einem Vertrauensschock führen könnte, ist sehr schwer abzuschätzen.

Wären mit einer Umschuldung Transferzahlungen vom Tisch?

Die Euro-Länder müssten auch weiterhin Griechenland helfen. Denn das Land wäre von den Kapitalmärkten abgeschnitten. Es wäre also weiter auf Hilfskredite angewiesen. Hinzu kommen direkte Kosten durch den Schuldenschnitt: Auch der deutsche Staat als Kreditgeber wäre dabei betroffen. Der Bund müsste der KfW-Bankengruppe wohl zwischen 8 und 10 Mrd. Euro erstatten.

Um einen Crash des griechischen Bankensektors zu verhindern, müsste der europäische Rettungsfonds EFSF zudem die dortigen Banken stützen, einige Regierungen darüber hinaus ihre nationalen Banken. Und auch die Europäische Zentralbank müsste wohl durch Beiträge ihrer Mitgliedsländer für ihre Anleiheausfälle kompensiert werden.

Müsste Griechenland dann nicht mehr sparen?

Müsste Griechenland dann nicht mehr sparen? Das Land müsste weiterhin konsolidieren. Denn um die Aussicht auf eine Rückkehr an die Kapitalmärkte zu schaffen, müsste Vertrauen zurückgewonnen werden. Zudem wäre Griechenland weiter auf Hilfskredite angewiesen, die an Sparerfolge geknüpft werden dürften.

Würde der Schritt die Märkte beruhigen?

Die Hoffnung ist, dass die Märkte eine Umschuldung als Erleichterung sehen und damit endlich Ruhe einkehrt. Es könnte jedoch auch anders kommen: So besteht die Gefahr eines Übergreifens auf andere Länder wie Portugal oder im schlimmsten Fall Italien - wenn die Märkte zur Meinung gelangen, dass nun auch dort ein Schuldenschnitt denkbar wäre. Ökonomen fürchten dann die endgültige Eskalation der Schuldenkrise, denn bei Italien wäre eine Stützung durch die EU nicht mehr möglich.

FTD