Rosemarie Gandre ist fassungslos. "Seit 27 Jahren bin ich bei der Quelle. Und jetzt schmeißen sie uns raus", sagt die 44-Jährige. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Irene Kisskalt verfolgt sie am Mittwoch ungläubig und entsetzt, was Betriebsratschef Wolfgang Staudt auf einer Kundgebung verkündet: Der KarstadtQuelle- Konzern wird allen 800 Mitarbeitern in den beiden Nürnberger Call Centern zum Jahresende kündigen. Zwar dürfen sie sich bei einer neuen GmbH wieder für den alten Job bewerben, dann aber zu drastisch verschlechterten Bedingungen: "Von 1100 Euro brutto kann keiner existieren", sagt Gandre.
"Menschenverachtung"
Die fränkischen Beschäftigten bekommen nun die Ankündigung von Konzernchef Thomas Middelhoff zu spüren. Man werde den Beschäftigten in der schwächelnden Versandhandelssparte "einiges abfordern" müssen, hatte Middelhoff im vergangenen November bei einem Besuch in Nürnberg gesagt. Konkret heißt das: Mehr arbeiten, deutlich weniger verdienen. Betriebsratschef Staudt beziffert die drohenden finanziellen Einbußen auf bis zu 50 Prozent. "Keine Armutslöhne", skandieren die Demonstranten. Staudts Stellvertreterin Isolde Wittmann hat für die Pläne nur ein Wort übrig: "Menschenverachtung".
Versandservice-Chef Hanns Rech bekundet Verständnis für die emotionalen Reaktionen, verteidigt die Maßnahmen auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Fürth aber als unausweichlich. "Die Alternative wäre gewesen: Wir machen diesen Standort zu", sagt Rech. Das angebotene Gehaltsniveau von 1100 bis 1450 Euro plus Leistungsprämien sei branchenüblich. Die Servicebereiche waren im vergangenen Jahr in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert worden, die aber zu 100 Prozent von den Aufträgen der Quelle abhängig ist. Man müsse kostengünstiger anbieten, sonst werde sich Quelle andere Partner suchen, sagt Rech, der erst im vergangenen Sommer als Geschäftsführer der Dienstleistungsgruppe innerhalb der Versandhandelssparte angetreten war.
Dennoch keine völlige Verlagerung ins Ausland
"Wir stehen unter wirtschaftlichem Druck", sagt der Geschäftsführer. Ganz ins Ausland verlagern will und kann der Konzern seine Dienstleistungen aber dennoch nicht. "Das ist nicht so leicht möglich", räumt Rech ein. Denn es sei den Quelle-Kunden nur schwer zu vermitteln, wenn am anderen Ende der Telefonleitung ein Gesprächspartner "mit begrenzten Deutschkenntnissen" sitze.
Deshalb soll im Raum Nürnberg ein neues Kundenzentrum mit wiederum 800 Beschäftigten entstehen. "Wir bekennen uns zum Stammsitz der Quelle", sagt Rech. Das geplante Einsparungsziel mag er ebenso wenig beziffern wie die Investitionen. Stattdessen verweist er darauf, dass in dem neuen Kundenzentrum "neueste Call Center-Technologien und moderne ergometrische Standards" zum Einsatz kommen sollen. "Die zahlreichen Ruhe- und Sozialräume schaffen für die Mitarbeiter eine motivierende Arbeitsatmosphäre", heißt es im Pressetext. Für die Beschäftigten klingt das wie blanker Hohn. "34 Jahre habe ich hier gearbeitet", sagt eine Frau verzweifelt. "Jetzt wollen sie uns vernichten."