Teenie-Schwangerschaften Wenn Kinder Kinder kriegen

In Hamburg hat ein zwölfjähriges Mädchen einen kleinen Sohn geboren. Wie kann so etwas passieren? Und wie kann man Teenie-Müttern helfen?

Eigentlich ist Patricia selbst noch ein Kind. Mädchen in ihrem Alter schwärmen für Popstars oder Schauspieler, ans Kinderkriegen denken sie noch nicht. Doch für die Zwölfjährige ist diese unbeschwerte Zeit nun vorbei: Patricia ist eine der jüngsten Mütter Deutschlands. Am Mittwoch brachte sie in Hamburg einen gesunden Jungen zur Welt - und machte bundesweit Schlagzeilen. Wie konnte das passieren? Ist das normal? Werden Mütter in Deutschland immer jünger? Der Fall wirft viele Fragen auf, doch Experten warnen eindringlich vor falschen Schlüssen.

"Das ist ein seltener Extremfall", sagt der Hamburger Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt. Dass Kinder Nachwuchs bekommen, sei in Deutschland eine Ausnahme. Die meisten Teenager gingen sehr verantwortungsvoll mit ihrer Sexualität um. "Es kann keine Rede davon sein, dass die Jugendlichen in Deutschland unaufgeklärt oder unvorsichtig sind", sagt Schmidt. "Das eine Zwölfjährige ein Kind bekommt, ist tragisch, aber es gibt immer Ausnahmen."

"Jugendliche verhüten nicht schlechter als Erwachsene"

Das sieht auch Annette Rethemeier von der Familienberatung Pro Familia so: "Jugendliche verhüten nicht schlechter als Erwachsene." Doch natürlich kämpfen die jungen Mädchen und Jungen mit ganz anderen Schwierigkeiten. "Es ist oft eine Premierensituation, beide sind aufgeregt und unsicher." Fehler sind schnell gemacht. Dennoch findet es auch die Expertin bemerkenswert, wie reif und erwachsen gerade Teenager mit der eigenen Sexualität umgehen. "Romantik und Treue haben bei vielen jungen Menschen einen hohen Stellwert", ergänzt Schmidt.

Mangelnde Aufklärung

Beim Diakonischen Werk ist man wesentlich skeptischer, hält das Problem für unterschätzt: "Die Zahl der Schwangerschaften bei Mädchen unter 15 Jahren hat sich in den letzten zehn Jahren drastisch erhöht", sagt Diakonie-Jugendreferent Roland Lehmann. Ein Grund sei die früher einsetzende Geschlechtsreife und die mangelnde Aufklärung in der Schule. "Das kommt in der siebten, achten Klasse schon zu spät", meint Lehmann. Eltern und Schule seien viel stärker gefordert.

"In den letzten zehn Jahren hat sich am Alter und dem Einsetzen der Geschlechtsreife nichts geändert", widerspricht Inka Baus, Kinder- und Jugendärztin an der Kieler Uni. "Die Mädchen bekommen ihre erste Regel im Schnitt mit zwölfeinhalb Jahren. Das schwankt natürlich, die Bandbreite reicht von 9 bis 16 Jahren", erklärt die Expertin. Das die Zahlen der Geburten drastisch gestiegen seien, kann sie nicht sagen: "Das bleibt seit Jahren ungefähr stabil."

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Verantwortungsvoller Umgang mit Sex

Schmidt sieht das ähnlich: "Es sind etwa 10 von 1000 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren, die pro Jahr schwanger werden. Es gibt nur ganz, ganz wenige, die jünger als 14 sind", berichtet der Professor vom Institut für Sexualforschung der Universität Hamburg. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist die Zahl der Geburten bei Mädchen die 15 Jahre und jünger sind, relativ stabil: 496 dieser Fälle zählten die Statistiker im Jahr 2004, 1994 waren es 435. Auch das Alter, in dem Teenager das erste Mal miteinander schlafen, sei seit den 70er Jahren recht konstant geblieben, meint Wissenschaftler Schmidt. "In den 70er Jahren gab es einen tiefen Einschnitt. Seither herrscht eine viel liberalere Haltung in Deutschland." Das habe sehr viel dazu beigetragen, dass Teenager oft sehr verantwortungsvoll mit dem Thema Sex umgehen.

Abbruchquote bei 60 Prozent

"Im internationalen Vergleich werden in Deutschland sehr wenige Mädchen unter 18 schwanger. In den USA liegt die Zahl etwa fünf Mal so hoch", sagt Schmidt. Doch viele Mädchen wollen ihre Kinder nicht behalten - aus den unterschiedlichsten Gründen. "Bei unter 18-Jährigen liegt die Abbruchquote bei etwa 60 Prozent", erläutert er. Etwa jede zehnte bemerkt die Schwangerschaft aber erst spät, manche erst kurz vor der Geburt. Dann beginnt für die jungen Mütter die schwierigste Zeit, weiß auch Beraterin Rethemeier. "Die Mädchen fühlen sich plötzlich erwachsener, viele sind glücklich, aber auch voller Angst." Viele Probleme müssen gelöst werden. "Wichtig ist, die Mütter nicht alleine zu lassen, dann können sie diese Herausforderung meistern."

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Sebastian Raabe/DPA

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