Meinung Das Ende von Hollywood

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  • von Lutz Meier
Der Warner Bros. Wasserturm auf dem Gelände der Warner Bros. Studios in Burbank, Kalifornien
Der Warner Bros. Wasserturm auf dem Gelände der Warner Bros. Studios in Burbank, Kalifornien
© Jae C. Hong / Picture Alliance
Der Kauf des Hollywood-Produzenten Warner durch Netflix markiert den endgültigen Sieg um die Zukunft des Entertainments. Und die Zerstörung des Geschäftsmodells von Hollywood.

Wann immer man einen der berühmten Filme sieht – egal ob "Barbie" oder "Superman", "Harry Potter", "Herr der Ringe" oder "2001 – Odyssee im Weltraum" erhält man zu Beginn eine Lektion über die Größe und Bedeutung des wohl berühmtesten Hollywood-Studios: Im Gold des majestätischen Schriftzugs spiegelt sich das Studiogelände in Burbank vor den Toren Hollywoods. Eine Sequenz aus dem bekannten "Casablanca"-Soundtrack ("As Time Goes By") unterstreicht, wie lange das Studio in seiner mehr als 120-jährigen Geschichte schon Legenden liefert. 

Künftig wird wohl irgendwo in diesen Vorspann das rote "N" geritzt sein, ganz ähnlich dem "Z", das einst der Rächer Zorro in "Das Zeichen des Zorro" (ausnahmsweise keine Warner-Produktion) allerorten hinterließ. Es steht für den tiefsten Einschnitt in der Hollywood-Geschichte: Der Streaminganbieter Netflix, der 1999 mit dem Verschicken von DVDs begann und seit 2013  selbst Filme und Serien produziert, erhielt überraschend für 83 Milliarden Dollar den Zuschlag beim Verkauf der Warner-Studios. Das neue, junge, tech-getriebene Streaming hat sich des alten, mächtigen kulturstolzen Hollywood bemächtigt. Es hat der wandlungsfähigsten, wirkmächtigsten, weltweit alle Einflüsse aufsaugenden Bewusstseinsmaschine Hollywood das Geschäftsmodell genommen. 

Streaming gegen Filmstudios

Sicher, die Übernahme muss noch kartellrechtlich und von der Kommunikationsbehörde FCC genehmigt werden. Da US-Präsident Donald Trump und seine Leute einen Zuschlag an die Paramount-Studios des Trump-Unterstützers und Tech-Unternehmers Larry Ellison befürwortet hatten, könnte es hierbei noch Komplikationen geben. Und gewiss: Netflix hat in den Verhandlungen zugesichert, Warner seine Selbständigkeit zu belassen und auch weiter die Filme des Studios ins Kino zu bringen und nicht gleich ins Streaming. Dennoch, selbst wenn der Deal an Trump scheitern sollte, hat Netflix mit dem mühelosen Abschluss seine Macht bewiesen. Und selbst wenn Netflix Warner nach einer Übernahme noch einige Freiheiten einräumen wird, ist mit dem Deal die Dominanz des Streaming-Geschäftsmodells über das geniale, viele Jahrzehnte erfolgreiche Studiosystem besiegelt.

Erst haben die Hollywood-Studios das aufkommende Streaming ignoriert und Netflix durch bereitwillige Verkäufe ihrer Film- und Serienrechte noch groß gemacht. Dann haben sie versucht, ihr erfolgreiches System gegen das Streaming zu verteidigen. Dieses Hollywood-Geschäftsmodell bestand darin, die produzierten Filme und Serien über die sogenannte Kaskade von Verwertungsformen maximal zu versilbern – also zum Beispiel Kino, DVD, Pay-TV und Free-TV. Der Rechtestock, die sogenannte Filmbibliothek, lieferte auch Jahrzehnte permanent neue Erlösströme, mit denen die teuren neuen Filme finanziert werden konnten. In diese Kaskade, so die Vorstellung der Studios, werde sich das Streaming einsortieren. 

Als sie merkten, dass das falsch ist, versuchten die Studios infolge der Corona-Pandemie Netflix mit seinen eigenen Waffen zu besiegen – und mit eigenen Angeboten wie Disney+ und HBO Max (Warner) zu überflügeln. Aber nicht nur mussten sie feststellen, dass das nicht gelang. Es zeigte sich auch, dass sich das traditionelle Filmgeschäft basierend auf Streaming-Erlösen kaum finanzieren lässt. 

Disney kämpft noch

Von den großen Major Studios, den berühmten Big Five in Hollywood, ist dann nicht mehr viel übrig. Warner ist das neben Disney noch einflussreichste und wirtschaftlich stärkste. 20th Century Fox ist im Disney-Reich gelandet. Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) wurde längst entkernt und zerschlagen, die Reste gingen an Amazon. Sony Pictures hat sich der Dominanz des Streamings scheinbar ergeben, Universal Studios gehört zum Kabelnetzbetreiber und Telekomkonzern Comcast, der nach einem Überlebensmodus sucht – und dazu selbst gerne Warner übernommen hätte. Schließlich ist da Paramount, noch nicht lange im Reich des Oracle-Gründers, Multimilliardärs und Trump-Freundes Ellison. Aber auch diese Studios stehen ohne klare Zukunft da.

Und der größte, Disney? Hat die Streaming-Kriege gegen Netflix, Amazon & Co. nicht unbeschadet überstanden. Disney geht nach Reaktivierung des Alt-Vorstandschefs Bob Iger durch eine Restrukturierung. Es wird immer wieder spekuliert, dass eines Tages Apple den Mickey-Mouse-Konzern übernehmen wird. Damit wäre die Selbständigkeit von Hollywood endgültig dahin. 

morgenstern

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Probleme von Warner Bros.

Bei Warner selbst gab es die letzten knapp 40 Jahre alle Medienmoden und Verirrungen: Erst ging das Studio an den Zeitschriften- und Bücherkonzern Time Inc., es war das letzte Aufbäumen des stolzen Print-Imperiums vor dem Niedergang. Dann wurde Warner weitergereicht an den aufstrebenden Internetkonzern AOL – der bald darauf im Zuge des Platzens der Dotcom-Blase in sich zusammenfiel. Es kostete viel Mühe und Zeit, die Fusionen wieder zu lösen, auch die Verbindung der Warner Studios mit Warner Music musste aufwändig getrennt werden. Rupert Murdoch wollte an Warner heran, aber vergeblich. Dann versuchte sich der Telekomkonzern AT&T mit einer Übernahme von Warner zu erneuern. Das Abenteuer hinterließ nichts als Milliardenschulden. Der letzte hoffnungsvolle Erwerber war vor fast fünf Jahren der Discovery-Konzern, der sich von der Übernahme viel versprach, auch im Streaming – von dem wenig gelang.

Bei der neuesten Wendung aber ist nicht unbedingt zu erwarten, dass sich der Fluch fortsetzt und der Kauf den Erwerber unglücklich macht. Warner ist immer noch ein potenter Hit-Lieferant und die Filmbibliothek kann Netflix wertvollen Basiscontent sichern, besonders in Zeiten, in denen die anderen Rechtebesitzer nur noch ungern an Netflix verkaufen. Womöglich ist die letzte Wendung des Dramas die vorerst letzte. Bis irgendwann das Sequel folgt.

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