Deutsche Bahn So will Evelyn Palla die Bahn aus der Krise führen

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Bahnchefin Evelyn Palla steht in einem neuen ICE L
Bahnchefin Evelyn Palla will den Konzern schlanker aufstellen
© Christoph Soeder/dpa / Picture Alliance
Konzernchefin Evelyn Palla will einen Neustart bei der Bahn. Der Apparat soll schlanker und schneller werden, die Regionalchefs mächtiger. Das sind die wichtigsten Punkte ihrer Strategie.

DB-Konzern light

Bahnchefin Evelyn Palla will die Bahn verschlanken und fängt dabei oben an. Mindestens 30 Prozent der Stellen sollen in der Konzernleitung wegfallen, macht 3500 Führungskräfte weniger. Bisher geplant war ein Abbau von 20 Prozent. Die Idee hinter der "großen Transformation", die am 1. Januar startet: schnellere Entscheidungen, klarere Verantwortlichkeiten. Dafür verlagert die neue Bahnchefin Entscheidungen zurück auf die regionale Ebene. Dort sollen Manager künftig eigenverantwortlich darüber bestimmen, wie die Ziele des Konzerns vor Ort erreicht werden können. 

Auch auf Vorstandsebene wird abgespeckt, die Digital- und Technikchefin musste gehen, ebenso eingespart wird der Infrastrukturchef bei der DB AG. Auf der nächsten Ebene sollen rund die Hälfte von derzeit 43 Führungsstellen gestrichen werden. Eine bessere Organisation tut Not, da der aufgeblähte Apparat sich zunehmend selbst blockiert. Allerdings heißt das auch, mindestens das nächste halbe Jahr wird die Bahn vor allem mit sich selbst beschäftigt sein. Zudem beunruhigt manche Personalie: Warum etwa wird ausgerechnet der Vorstandsposten für Digitales und Technik gestrichen? 

2026 wird die Bahn kaum pünktlicher 

Seit drei Jahren befindet sich die Bahn bei der Pünktlichkeit "im freien Fall", räumt Palla ein. Ein Trend, der sich innerhalb des Jahres 2025 fortgesetzt habe. Fast jeder zweite ICE und IC war zuletzt verspätet, wer mit dem Zug in Deutschland unterwegs ist, erlebt das Desaster tagtäglich auf der Schiene. Auch beim Nahverkehr sank die Pünktlichkeit. "Über Nacht, von heute auf morgen", werde sich da nichts tun, dämpfte die Bahnchefin allzu hochgesteckte Erwartungen. Konkret festlegen wollte sie sich nicht, aber mindestens 60 Prozent der Züge sollen kommendes Jahr im Fernverkehr pünktlich unterwegs sein. Zuverlässig ist das leider nicht, aber wohl realistisch angesichts von 28.000 Baustellen auf rund 33.000 Schienenkilometern. Bis 2029 will die DB wieder bei 70 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr landen. 

50 Verspätungsgründe kennt die Bahn, für jeden gibt einen Code, oft ist die marode Infrastruktur schuld oder der Zug selbst, der kaputt aus der Werkstatt kommt. Doch Palla will davon wegkommen zu erklären, warum die Dinge nicht funktionieren. "Wir müssen uns verabschieden von einer Entschuldigungskultur hin zur Entscheidungskultur." Wie das aussehen soll? Künftig etwa sollen Infrastruktur und Zugbetrieb ein Limit für Verspätungsminuten bekommen, mit denen die 60 Prozent Pünktlichkeit eingehalten werden kann. Alle zwei Wochen wird bilanziert, und Palla selbst hält den Daumen drauf. Bei ihr wird eine Qualitätsdrehscheibe eingerichtet. Warum sich dadurch etwas ändern soll, bleibt unklar. Denn verordnen lässt sich Pünktlichkeit nicht. 

Trostpflaster für Bahnfahrer

Ab Anfang 2026 starten drei Sofortprogramme. Sie sollen die Informationen für Reisende, die Sauberkeit und die Sicherheit spürbar verbessern. Dafür gibt die DB 2026 mehr als 140 Millionen Euro zusätzlich aus. So soll es neue Licht- und Farbkonzepte geben, mehr Bundespolizei an den Bahnhöfen und sauberere Züge mit verlässlicher Bordgastronomie. Außerdem sollen die Reisenden besser über Baustellen, Umleitungen, Verspätungen und Anschlüsse informiert werden. Viele Baustellen sind in den Fahrplänen nicht eingepreist und wirbeln Reisepläne durcheinander. 

Das klingt alles ganz nett, aber vieles davon hat die Bahn auch früher schon mal versprochen. Abwarten, wie es umgesetzt wird. Wenn es klappt, würden stundenlange Verspätungen ein bisschen angenehmer. 

Mehr Unternehmertum

Bei der Bahn brauche es mehr Mut und Persönlichkeiten, die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen wollen, sagte Palla bei der Vorstellung ihres Neustart-Konzepts. Das kann nicht falsch sein, in einem Konzern der Verantwortung hin- und herschiebt, sodass es am Ende keiner gewesen ist. Ein Beispiel: Bisher gibt es je Netzregion drei Verantwortliche, einer kümmert sich ums Bauen, einer um den Betrieb und einer um die Instandhaltung. Jeder für sich zieht an einem anderen Strang, aber niemand, so Palla, sei zuständig für das große Ganze. Künftig werde es nur noch einen Verantwortlichen geben, der den Konflikt zwischen Bauen und Betrieb bestmöglich lösen soll. 

Es bleibt voll auf der Schiene

Dass die DB Züge streicht, um das Netz zu entlasten, wird wohl so schnell nicht passieren. Darauf deuten die Aussagen Pallas hin. Zwar würde weniger Verkehr die Pünktlichkeit steigern. Doch die Bahn könne nicht einfach Kapazitäten rausnehmen. Darüber entscheide die Netzagentur, im Prinzip gilt die Regel, wer fahren will, dem muss Platz auf der Schiene eingeräumt werden. Zudem entstünden die größten Staus in den großen Verkehrsknoten wie München, Köln oder Berlin, weil der Regionalverkehr massiv zugenommen hat. Der aber ist Ländersache. 

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