Es ist der tiefe Fall eines demokratischen Starökonomen: Larry Summers, ehemals Finanzminister unter Bill Clinton und Top-Wirtschaftsberater von Barack Obama, zieht sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Zu tief sind offenbar seine Verbindungen zum verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Der Fall zeigt: Die Einschläge der Veröffentlichung der "Epstein-Files" treffen die US-amerikanische Elite – und die Öffentlichkeit schaut gebannt, wie nah sie US-Präsident Trump kommen.
"Ich schäme mich zutiefst für mein Handeln und bin mir bewusst, welchen Schmerz es verursacht hat", erklärte Summers in einer Stellungnahme, die mehreren US-Medien vorlag. Zu Beginn der 2000er-Jahre war er Präsident der Elite-Universität Harvard. Zuletzt hatte der Ex-Minister neben einer Harvard-Professur auch etliche andere Posten inne, unter anderem im Verwaltungsrat von ChatGPT-Entwickler OpenAI und als Kolumnist für Bloomberg News.
Summers kam bereits mit 28 Jahren als einer der jüngsten Professoren der Geschichte der Universität nach Harvard. Später stieg er in der demokratischen Partei auf. Als Finanzminister sagte er über sich, ihm sei es gelungen, erstmals seit einem halben Jahrhundert mit einem Haushaltsüberschuss aus dem Amt zu scheiden. In den Jahren danach war er als Experte, Kolumnist und Berater gefragt.
Viele von seinen Partnern dürften nun erleichtert sein, dass sich Summers zurückzieht. Der Verwaltungsrat von OpenAI teilte mit, man respektiere seine Entscheidung. "Wir schätzen seine vielen Beiträge und die Perspektive, die er in den Verwaltungsrat eingebracht hat", hieß es in einer Erklärung.
Viele gemeinsame Fotos von Epstein und Trump
Dass Summers mit Jeffrey Epstein in Kontakt stand, hatte das "Wall Street Journal" bereits im Jahr 2023 enthüllt. Wie eng die Verbindung war, zeigen E-Mails und Textnachrichten, die jüngst ein Ausschuss des US-Repräsentantenhauses veröffentlichte. Demnach fragte Summers den Multimillionär Epstein um Rat in Liebesangelegenheiten, lästerte mit ihm über Frauen und tauschte sich mit ihm über Donald Trump aus. Der Austausch ging bis ins Jahr 2019 – nachdem Epstein bereits ein erstes Mal verurteilt worden war. Summers selbst wird bisher keine Straftat vorgeworfen, und es gibt keine Hinweise, dass er sich strafbar gemacht hätte.
Der einflussreiche Multimillionär Epstein hatte über Jahre einen Missbrauchsring betrieben, dem zahlreiche junge Frauen und Minderjährige zum Opfer fielen. Dabei verging er sich auch selbst an den Frauen. Nachdem er in den 2000ern bereits eine Haftstrafe wegen erzwungener Prostitution verbüßen musste, wurde Epstein im Jahr 2019 abermals festgenommen. Nur wenige Wochen später starb er im Alter von 66 Jahren in seiner Gefängniszelle; laut Obduktionsbericht beging er Suizid.
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Seitdem gibt es zahlreiche Spekulationen darüber, wie weit die globale High-Society in Epsteins Missbrauchsring verwickelt war. Vor allem auf US-Präsident Trump wuchs zuletzt der Druck. Er und Epstein sollen eng befreundet gewesen sein, es gibt zahlreiche Fotos und Partyvideos, auf denen beiden Männer gemeinsam zu sehen sind. Bisher konnte dem Präsidenten in der Affäre allerdings kein Fehlverhalten nachgewiesen werden.
Summers übernimmt "die volle Verantwortung"
Anderen Prominenten schon: So musste der britische Prinz Andrew kürzlich sämtliche royale Titel wegen seiner Verbindungen zu Epstein abgeben. Summers erklärte nun, er übernehme "die volle Verantwortung" für seine "fehlgeleitete Entscheidung, weiterhin mit Herrn Epstein" in Kontakt geblieben zu sein. Seine Lehrverpflichtungen in Harvard wolle er weiter erfüllen, sich aber von öffentlichen Aufgaben zurückziehen, um Vertrauen zurückzugewinnen und Beziehungen zu Menschen in seinem Umfeld zu reparieren. Die Harvard-Universität kündigte an, die Verbindungen zwischen Summers und Epstein zu untersuchen. Trump wiederum wies das US-Justizministerium an, gegen Ex-Präsident Bill Clinton zu ermitteln – wohl auch um von sich selbst abzulenken.
Trump hatte sich lange gegen die Veröffentlichung der "Epstein-Files" gewehrt. Doch nachdem zahlreiche Mails und Nachrichten des verstorbenen Straftäters in den vergangenen Tagen öffentlich wurden, vollzog er eine bemerkenswerte Kehrtwende und sprach für eine Freigabe aus. Inzwischen hat er ein entsprechendes Gesetz unterschrieben, dennoch kann die Regierung Teile der Akten noch zurückhalten. In den bisher öffentlich gewordenen Nachrichten heißt es unter anderem, Trump habe "Stunden" in Epsteins Haus verbracht und "natürlich von den Mädchen gewusst".
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