Editorial Die Ramsch-Republik

Schlacht um konsumresistente Kunden: Jetzt sollen auch die Knauser Geld ausgeben

Liebe stern-Leser!

"Tiefpreise", "Sparalarm", "Hammer-Prozente", "Geiz ist geil!": Mit wechselndem Erfolg trommelt der leidende Einzelhandel den Kunden ins Hirn, jetzt die Läden zu stürmen. "Leute macht Beute!", betitelte ein Händler seine Zeitungsofferte. Niemand kann zwar nach dem Kauf eines preiswerten Bodenstaubsaugers sicher sein, sich nicht am nächsten Tag über einen niedrigeren Preis für dasselbe Modell ärgern zu müssen. Aber egal: Gut ist nicht, wer die beste Qualität liefert, sondern die billigste Ware. Willkommen in der Ramsch-Republik Deutschland! Dass dieser vordergründig erfreuliche Trend Einzelhändler und Hersteller in eine ruinöse Abwärtsspirale treibt, wird sich erst herumsprechen, wenn auch vor dem letzten Laden um die Ecke das Schild "Räumungsverkauf" hängt. Doch die aktuelle Not ist zu groß: Um den düsteren Umsatzprognosen für 2003 zu entkommen, haben die Marketing-Strategen im Januar eine beispiellose Rabattschlacht eingeläutet. Denn nach den Steuer- und Abgabenerhöhungen der Berliner Regierung ist das Angstsparen zu einer Massenpsychose geworden. Die Sparquote steigt, und wenn jetzt die Januar-Lohnstreifen ihre Schockwirkung entfalten, wird der Einzelhandel nochmals in die Knie gehen. Weniger Netto für alle bedeutet weniger Geld für Konsum, der immerhin knapp zwei Drittel unseres Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Was tun? Um die misslaunigen Bürger in die Geschäfte zu treiben, könnte die Bundesregierung die aggressiven Werbemethoden der Einzelhandelsketten abkupfern. Vielleicht das Einkaufen zur patriotischen Pflicht erklären, flankiert von dem Slogan "Shoppen für Deutschland"! Ernsthaft: Es muss gelingen - und dieser Impuls kann nur von der Regierung kommen -, mit einer klaren Perspektive für Wachstum und einer neuen Architektur der Sozialsysteme den Horizont aufzuhellen. Kaufen beginnt im Kopf. Wer jedoch düster in die Zukunft blickt, und darin sind die Deutschen weltweit führend, der hortet seine Cents. Beim Shoppen sparen - das geht derzeit besser denn je. Unsere Titelgeschichte beschreibt die besten Wege, preiswert einzukaufen, aber auch die Finten mancher Händler: Wer glaubt, nicht blöd zu sein, kann manchmal hinterher ziemlich dumm dastehen.

Herzlichst Ihr Andreas Petzold