Stolz bin ich nicht auf meine zwei Affären. Ich bin mir aber auch sicher, dass ich für das, was ich getan habe, nicht in die Hölle kommen werde. Ich bin ein Risiko eingegangen, es hat Spaß gemacht und zum Glück meine Ehe nicht ruiniert. Jetzt ist es erst mal vorbei. Ich möchte hier auch keine Werbung fürs Fremdgehen machen. Fremdgehen ist keine ehrenvolle Sache. Was ich aber einfach feststelle: es gibt einen Ort, der ja interessanterweise auf den ersten Blick der unmöglichste aller Orte ist, um eine Affäre anzubahnen - in Wirklichkeit aber einer der besten dafür ist. Der Kinderspielplatz.
Bei beiden kurzen Affären, die ich eingegangen bin, seit ich fest liiert und Mutter bin (fast sieben Jahre), habe ich die Männer auf Spielplätzen kennengelernt. Es hätten auch vier oder sieben Männer werden können, ohne dass ich aussehe wie Scarlett Johansson. Warum ich fremdgegangen bin? Ich will nicht mit Eheproblemen langweilen. Aber ich bin bestimmt nicht allein. Ich kenne jede Menge Frauen, die über eiskalten Gewohnheitssex jammern und erzählen, dass sie sich manchmal fühlen wie ein Gefängnisinsasse; die feststecken im ewigen Gezeitenlauf aus Kita-Öffnungszeiten, Wäschewaschen und Kinderzimmer- Aufräumen; die kaum noch andere Menschen kennen lernen, Männer oder Frauen. Die mich mit gestresstem Blick anschauen und fragen: "Wann zum Teufel soll ich überhaupt noch Männer treffen?" Meistens antworte ich nichts.
Gefunden in...
...der Zeitschrift Nido. Titelthema in der aktuellen Ausgabe: Freunde fürs Leben! Das Heft ist ab dem 16. Oktober im Handel erhältlich.
Der Spielplatz ist für Eltern oft die einzige realistische Möglichkeit, andere Menschen kennen zu lernen. Bars? Haben für mich nie funktioniert. Die wenigen Reisen, die man ohne Familie macht: Vergiss es! Der Spielplatz dagegen: Ruhe, Zeit, Gelegenheit. Mein größerer Sohn ist schon in der Schule, der kleine ist eineinhalb, wir haben einen langen Großstadtsommer hinter uns, und ich bin mit mehr guten Männern ins Gespräch gekommen, auch jenseits vom Flirten, als meine verzweifelten Single-Freundinnen in ihren Internetbörsen zusammengenommen.
Der ideale Ort, um Männer zu beobachten
Noch besser als Gespräche finde ich eigentlich das Beobachtenkönnen. Das ist, für mich, auch nicht zu trennen vom Verlieben - wobei "verlieben" vielleicht ein zu großes Wort ist. "Verknallen" ist besser, "begehren" auch - aber nennt es wie ihr wollt. Spielplätze sind der ideale Ort, um Männer zu beobachten. Und ehrlich gesagt: Was soll man sonst auch machen, außer in der Gegend rumzugucken, wenn das eigene Kind in Ruhe im Sandkasten spielt und man sich nicht mit wildfremden Müttern durch Unterhaltungen über geplatzte Windeln oder ein neues Zähnchen, das durchbricht, verschwestern will.
Dann lieber fremden Männern nachschauen. Und es werden immer mehr, zumindest da, wo ich wohne, in Berlin. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es in den einschlägigen Wohnvierteln der Freiberufler, der Künstler, der Vätermonatsnehmer und krisenbedingt der Arbeitslosen in Hamburg oder Köln so anders zugehen sollte. Die Frauen sind noch in der Überzahl auf dem Spielplatz, aber Männer sind auf keinen Fall mehr so rar, dass ihre Anwesenheit dort als sensationelle Exotik gilt.
Natürlich siebt man sehr schnell aus in seinen "Den finde ich gut"-Tagträumen. Ich komme da schnell auf zwei Vätertypen, die ganz schrecklich sind: Zum einen ist da der Gelangweilte. Nichts gegen introvertierte, von mir aus gerne auch mal verkaterte Menschen. Leute, die nicht ständig auf ihre Kinder einreden oder an ihnen rumzupfen, sind mir sogar sehr sympathisch. Aber gerade unter Vätern gibt es auch jene, die so offensichtlich nichts mit ihren Kindern anfangen können, dass ich mich immer wieder frage, ob sie ihren Nachwuchs willentlich bekommen haben. Ich nenne sie die iPhone-Boys. Die sitzen mit starrem Blick die Spielplatzzeit ab und streicheln mit diesen andauernden Touchscreen-Geruckel ihr Handy; keine Ahnung, was an einem Dienstagmorgen so spannendes im Internet los sein kann. Ab und zu ruft jemand an, wahrscheinlich ein anderer iPhone-Boy-Kumpel, und auf die offensichtliche Frage, was sie denn gerade machen, sagen die iPhone-Boys, die eine Bank entfernt von mir sitzen, dann laut und deutlich: "Nichts."
Das Gegenteil davon sind die Übereifrigen, die sind genauso schlimm. Die versuchen, die Lebhaftigkeit ihrer Kinder in jedem Augenblick zu toppen. Sie schaukeln mit, sie rutschen mit, sie klettern mit, sie backen auch einen Sandkuchen. Oft eitle Gockel, die mit jeder Bewegung demonstrieren: Seht her, ich hab ein Kind - wie wunderbar ist das denn! Dass ihre eigenen Kinder vielleicht gerade keine große Lust haben, eine "rieeeeesige Burg" zu bauen, ganz hoch zu schaukeln, alle Tiere der Savanne aufzuzählen, merken die Übereifrigen in ihrem narzisstischen Eifer oft gar nicht.
Sexuell attraktiv sind die lustigen Väter
Attraktiv, und das meine ich sehr rasch auch im sexuellen Sinne, sind die lustigen Väter. Die sich gute Spiele ausdenken. Und, für mich eine genauso kreative Leistung, nette Begründungen und Ausreden für ihre Kinder haben, warum sie jetzt kein achtzehntes Mal "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" spielen oder beim Gummihüpfen mal 'ne Runde aussetzen wollen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, man kann einen direkten Rückschluss ziehen: Sind Männer nett und lustig zu ihren Kindern, dann sind sie auch im Umgang mit Erwachsenen zu gebrauchen. Umgekehrt ist es interessanterweise nicht unbedingt so.
Und dann sind da noch die, na ja, körperlichen Väter. Kinder auf die Schaukel heben, im Klettergerüst hängen, Fußballspielen mit verrutschter Hose. Kinderspielpätze sind ein ganz guter Ort, um sich schöne Männer mal genau anzuschauen. Die angedeutete Version einer öffentlichen Sauna, sozusagen. Dass man sie anstarrt, merken sie zudem nicht. Oder sie denken, man ist verzückt von ihren süßen Kindern. Ich habe bei dem ersten der beiden Männer, die ich mit ernsten Absichten auf dem Spielplatz kennengelernt habe, zunächst mal auf diese Muskeln geachtet - keine Ahnung, wie man sie nennt - , die die Beine mit dem Bauch verbinden. Jeans ein bisschen runter-, Hemd ein bisschen hochgerutscht, so stand er da, stützte seine auf dem Klettergerüst sitzende Tochter. Ich fand ihn toll. Ebenfalls extrem sexy: diese kleinen Muskelhügel, die Männer an der Außenseite ihrer Oberarme kriegen, wenn sie einen Kinderwagen schieben, oder noch besser beim Schaukel-Anschubsen.
"Kann ich kurz euren Sandeimer ausleihen?"
Die zwei Männer, mit denen ich schließlich im Bett gelandet bin, waren jeweils eine gute Mischung aus "lustig" und "mit Oberarmen". Zugegeben, einer hatte auch ein iPhone. Mit ihnen in Kontakt zu kommen, war kein Problem, das ist ja das Tolle an den Spielplatzbekanntschaften. "Kann ich mal bitte kurz euren Sandeimer ausleihen?", "Wie alt ist sie denn?", "Wie heißt sie denn?" - der Übergang zu "Wie heißt du denn?" und "Seid ihr öfters hier?" ist fließend und soweit noch die natürlichste Konversation der Welt. Es ist auch noch kein großes Ding, sich nebeneinander zu setzen, zu reden, unpeinlich zu schweigen, zu behaupten, dass man jetzt leider los muss. "Seid ihr morgen wieder da?", "Wollen wir uns mal für den Spielplatz verabreden, gibst du mir deine Nummer …?" - so läutet man eine Bekanntschaft ein, so beginnen Freundschaften und, warum nicht, so bahnen sich auch Affären an.
Wie anfangs gesagt: Ich bin nicht stolz auf meine Erfahrung. Aber was ich mit dem einen vormittags in seinem Atelier und mit dem anderen in einem Hotelzimmer einer nahen Kleinstadt getan habe, bei jeweils vier Treffen, war reizvoll für mich. Und irgendwie sogar heilsam für meine Ehe. Was andere reizt, das Verbotene, das Vertuschen, das Sex-auf-Verabredung-Haben, hat mich eher abgetörnt, ich habe die Dinge schließlich auslaufen lassen. Ich bin wieder glücklich zu Hause. Aber, und das ist ein gutes Gefühl: Wenn ich will, könnte ich auch irgendwann wieder ausbrechen - der nächste Spielplatz ist nicht weit.