Ein Wasserfall stürzt den aufgeschütteten Hügel herunter, Granitsteine säumen das künstliche Flussbett, über Azaleen und fernöstliche Bambuspflanzen ergießt sich der Karlsruher Regen. Wie ein Friedhof sieht das Ganze nicht aus. "Soll es auch nicht", sagt Matthäus Vogel, der stellvertretende Leiter des städtischen Friedhofsamts. Nach jahrelanger Vorarbeit hat er auf dem Karlsruher Hauptfriedhof ein Alternativ-Angebot für Naturliebhaber entwickelt: In einem parkähnlich angelegten "Landschaftsgarten" kann die Asche Verstorbener ganz ohne Kleingärtner-Mief beigesetzt werden.
"Die Gräber selbst stehen hier erst an zweiter Stelle - hinter der schönen Landschaft", sagt Vogel. Karlsruhe sei die erste Stadt in Deutschland mit einem Friedhof dieser Art und in dieser Größe von 5000 Quadratmetern. Name: 'Mein letzter Garten.' Motto: "Zurück zur Natur." Kosten: 1789 oder 3820 Euro pro Urne - je nach Ausstattung.
Keine Kreuze, keine Gartenarbeit
Einzelgräber - individuell oder uniform gestaltet - gibt es hier nicht. Grabzeichen und Gärtnerarbeiten sind im Pauschalpreis inbegriffen. Kein Angehöriger muss zur Harke greifen. Auch Kreuze sind überflüssig. Denn hier regiert der ewige Kreislauf der Natur im Symbol des Wassers. Das passt in die Zeit. "Wir haben das dankbarste Publikum, das man sich vorstellen kann", sagt Vogel. "Auch andere Städte wie Stuttgart und Freiburg haben sich hier schon informiert."
Selbst der katholische Dekan Dieter Holderbach kann dem Friedhofsamt "nur gratulieren für diese gelungene Ruhestätte", wie er in einem Brief zur Eröffnung am 7. Mai schrieb. "Es ist ja interessant und ich verfolge es mit großem Interesse, wie sich im Bereich des Bestattungswesens und der Friedhofskultur vieles verändert."
Bestattungsgesetz soll liberalisiert werden
Baden-Württemberg hinkt allerdings etwas hinterher. In anderen Bundesländern sind bereits private Friedwälder entstanden. Die Asche Verstorbener kann dort in einer kompostierbaren Urne unter einem ausgewählten Baum vergraben werden. Der Baum nimmt die Asche als Nährstoff auf und wird so zum Symbol für das Weiterleben in der Natur. Künftig soll dies auch im Südwesten möglich sein; die Landesregierung will das Bestattungsgesetz liberalisieren.
Vogel sieht das skeptisch: "Man sollte nicht immer gleich nach neuen Gesetzen schreien. Wir haben mit unserem neuen Angebot in Karlsruhe den Beweis angetreten, dass so ein Friedwald auch schon mit dem heutigen Bestattungsgesetz möglich ist." Der einzige Unterschied: Im 'Letzten Garten' werden die Namen der Verstorbenen irgendwo noch verzeichnet - zum Beispiel eingeschnitzt auf einem langen Eichenstamm.
Doch selbst das muss nicht mehr sein. Interessenten können eine Baum-Patenschaft übernehmen und sich dann nach dem Tod anonym unter ihrem Baum bestatten lassen - mitten im Naturpark 'Letzter Garten' auf dem 125 Jahre alten Hauptfriedhof. "Eine tolle Sache", sagt Matthäus Vogel und schaut dem Spiel des künstlichen Wasserfalls zu. «Für mich selbst bevorzuge ich allerdings die herkömmliche Erdbestattung.»