Im Land des Holocaust, in der Stadt, in der die Vernichtung der Juden in Deutschland geplant wurde, entsteht 56 Jahre nach Kriegsende wieder eine Dokumentation der jüdischen Kultur, die zeigen soll, dass die Geschichte der Juden in Deutschland nicht immer eine von Trauer und Verlust war, sondern auch von kulturellem Reichtum und Vielfalt.
Zwölf Jahre nach Beginn der Planung, öffnet das Jüdische Museum in Berlin am 9. September nun endlich seine Türen. Aus dem einmal geplanten kleinen Provinzmuseum ist inzwischen ein weltweit beachtetes Projekt geworden.
Museum für alle
Das Gebäude wie ein Blitz oder ein zerbrochener Davidstern, das der jüdische US-Architekt Daniel Libeskind 1989 entworfen und Ende 1998 fertig gestellt hat, hat bisher schon ohne Ausstellung 350.000 Besucher angezogen.
Künftig könnten es jährlich mindestens doppelt so viele werden, denn das Haus soll an 362 Tagen im Jahr von 10.00 bis 20.00 Uhr offen gehalten werden.
In guter amerikanischer Tradition soll das tendenziell »schwierige Museum« vor allem als Dienstleistungszentrum verstanden werden undsomit auch nicht nur die »Besserwisser« befriedigen. Es soll ein Museum für alle sein.
In der Erstausstellung werden 3.900 Stücke zu sehen sein, die 2.000 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland illustrieren sollen. Darunter sind 1.600 Originalstücke. Die übrigen Objekte sind Kopien oder Rekonstruktionen. Besonders stolz ist man auf die Kopie einer Urkunde aus dem Vatikan, die schon im Jahr 321 eine blühende jüdische Gemeinde in Süddeutschland beschreibt.
Das Spektrum der Ausstellung umfasst aber auch eine dreidimensionale Computersimulation der mittelalterlichen Stadt Worms, mit der sich Besucher für neun Minuten in das Leben der dortigen Judengasse einklinken können.
Die von Libeskind gebauten »Leerräume« im Gebäude sollen mit einer »Galerie der verschwundenen Dinge« gefüllt werden, einem Klangkunstwerk über »das nicht mehr Vorhandene«. Die Installation »Gefallenes Laub« zeigt in einem anderen »Leerraum« 10.000 Gesichter mit geöffneten Mündern.
Ort der Erinnerung
»Ich finde es sehr angebracht, dass hier in Berlin ein Ort der Erinnerung entsteht, nicht nur an die Ermordeten, sondern an das Leben über viele Jahrhunderte«, sagt Michael Blumenthal, der 1997 nach Berlin gekommen war, um den Aufbau des Jüdischen Museums zu betreuen.
Natürlich kann auch er - 1926 in Oranienburg als Sohn einer jüdischen Familie geboren und später zur Flucht in die USA gezwungen - das Trauma der deutsch-jüdischen Geschichte nicht vergessen.
Was lange wehrt...
Die Idee für ein neues jüdisches Museum in Berlin ist bereits mehr als 25 Jahre alt. Sie knüpft an das erste jüdische Museum an, das unmittelbar vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 eröffnet worden war. Im Juni 1989 wurde Libeskinds Entwurf für das Gebäude ausgewählt. Immer wieder verzögerte sich das Projekt. Es stritten sich die Köpfe im Berlin Museum und im Senat um Konzept und Organisation. Dann wurde der Bau nicht fertig, dann fehlte dem Land Berlin Geld für die Ausstellung. Inzwischen hat der Bund die gesamte öffentliche Finanzierung mit 24,2 Millionen Mark im Jahr übernommen.
Trotz anfänglicher Skepsis ist es schließlich gelungen, den außergewöhnlichen Bau und die Ausstellung zu einer harmonischen Einheit zu machen.
»Es ist nicht nur ein Museum, sondern eine kulturelle Institution«, sagt Blumenthal. »Mit diesem wunderbaren Bau muss man größer denken«.