Seit 1992 bereist die Fotografin Bettina Flitner Städte in Deutschland, Tschechien, Polen und Thailand und widmet sich einem Thema, das nach wie vor als gesellschaftliches Tabu gilt – und zugleich Alltag für unzählige Frauen ist: Prostitution.
Flitner traf Freier und Prostituierte, fragte sie nach ihren Gründen, ihren Träumen, ihren Geschichten. In ihrem Buch "Prostitution" vereint die Künstlerin erstmals drei ihrer bedeutendsten fotografischen Serien, die das komplexe System der "käuflichen Liebe" aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Die Serie "Freier" entstand 2013 im Großbordell "Paradise" in Stuttgart. Flitner porträtiert die Bordellbesucher ausdrucksstark und fängt überraschend offene Bekenntnisse ein. Demgegenüber gewährte sie 2014 in einem weiteren Fotoessay Einblicke in das Leben von Frauen entlang der Europastraße E 55, dem "längsten Straßenstrich Europas". Beide Serien wurden mehrfach international ausgestellt und ausgezeichnet.
Prostitution ohne Beschönigung
Der dritte Teil des Buches richtet den Blick auf die Orte der Prostitution selbst: vom großen Kölner Bordell über sogenannte Terminwohnungen bis hin zu funktionalen "Verrichtungsboxen". Diese jüngste Serie, entstanden zwischen November 2024 und April 2025, wird hier erstmals veröffentlicht. Flitner bleibt dabei ihrer dokumentarischen Strenge treu: Die Räume werden nahezu wissenschaftlich erfasst. Die Abwesenheit von Menschen erzeugt eine beklemmende Wirkung.
Mit diesem Bildband gelingt Bettina Flitner eine sowohl künstlerisch als auch gesellschaftlich radikale Arbeit. Sie zwingt die Betrachter, hinzusehen – ohne Voyeurismus, ohne Beschönigung, dafür mit klarem Blick auf ein Thema, das oft verschwiegen oder schöngeredet wird. Ihr Werk ist ein eindringliches Statement, das sensibilisiert, irritiert und zum Nachdenken über Macht, Gewalt und das Verhältnis von Öffentlichkeit und Intimität anregt.