Die Unendlichkeit ist schwer vorstellbar. Bis ihr versucht, die Sterne der Milchstraße zu zählen – oder ein paar Stunden auf Youtube verbringt. Die Internet-Plattform bietet einen schier unaufhörlichen Strom an Musikclips, Kinotrailern und allen möglichen anderen Videos. Schätzungsweise eine Milliarde Filmchen soll die Seite inzwischen versammeln, im Schnitt kommen jede Minute 2500 neue hinzu.
Was fast noch erstaunlicher ist: Aus der riesigen Menge an Material sucht die Plattform oft genau die Videos für uns aus, die unseren Geschmack treffen.
Fußballfans bekommen Tausende Torschussszenen vorgeschlagen. Wer Tiere liebt, sieht in Dauerschleife Videos von balgenden Hundewelpen und von Katzen, die auf Staubsauger-Robotern spazieren fahren. Und Zockerinnen und Zockern werden jede Menge Let’s Plays angezeigt, also Videos, in denen Menschen Spiele wie "Minecraft" oder "Lego Star Wars" durchspielen und dies mit lustigen Sprüchen kommentieren.

Alle Achtung
Ablenkung: Legt eigene Zeitlimits fest, wie lange und oft ihr am Tag zum Handy greift – vielleicht auch untereinander im Freundeskreis.
Ständige Vergleiche: Viele Menschen zeigen auf ihren Profilen nur ihre schönsten oder bearbeitete Fotos – erinnert euch daran und lasst euch nicht unter Druck setzen.
Andere Plattformen wie Tiktok, Snapchat und Instagram funktionieren genauso: Sie alle zeigen uns das, was wir gern sehen wollen. Manchmal sogar, bevor wir selber wissen, was uns gefallen könnte.
Der Algorithmus sucht mehr von dem, was du magst
Woher kennen die Plattformen uns und unsere Vorlieben so gut? Und: Kann es problematisch sein, wenn die Betreiber der Seiten so viel von uns wissen?
Seit es Youtube, Tiktok und Instagram gibt, hängen viele Leute an ihren Handys wie Fische am Haken. Nicht wenige sagen sich in solchen Situationen: Noch einmal wischen, noch ein Profil checken, einen Clip gucken, einen Like vergeben, dann ist wirklich Schluss. Allerdings haben sie das vor fünf Minuten auch schon gesagt. Oder war es vor 50 Minuten?
Genau das ist das Ziel der Betreiber: Wir sollen mit den Apps möglichst viel Zeit verbringen. Dafür greifen sie auf das Prinzip der Wahrscheinlichkeitsrechnung zurück, das ihr vielleicht bereits aus dem Matheunterricht kennt: Mit speziellen Rechenformeln, sogenannten Algorithmen, möchten die App-Betreiber herausfinden, was ihr euch als Nächstes anschauen wollt.

Verlässliche Quelle?
Falschnachrichten: Zeigen euch soziale Medien Neuigkeiten aus der Welt, zum Beispiel über eine Naturkatastrophe oder Kriegsgeschehen, solltet ihr prüfen, ob auch seriöse Nachrichtenseiten darüber berichten. Ein gutes Prüfwerkzeug ist zum Beispiel der Faktenfinder der ARD-Tagesschau.
Filterblase: Euch werden etliche Videos vorgeschlagen, die nur noch ein und dasselbe Thema behandeln und in denen keine anderen Meinungen vorkommen? Bringt solche Filterblasen zum Platzen, indem ihr nicht die App-Version von YouTube nutzt, die mit eurem Profil verknüpft ist, sondern besucht die Seite ohne Anmeldung über einen Browser. So seid ihr dort anonym unterwegs. Was auch hilft: sich mit Freunden und der Familie über die Inhalte auszutauschen, um so auch andere Meinungen zu hören.
Um die Rechnung aufstellen zu können, sammeln die Plattformen daher möglichst viele Infos über euch. Jede getippte Nachricht, jedes Video, das ihr postet, jeder Like, den ihr vergebt, sind Puzzleteile, aus denen der jeweilige Algorithmus ein Bild zusammensetzt. Dieses Bild zeigt dann ziemlich genau, wer ihr seid, was ihr mögt, wie und wo ihr lebt und manchmal sogar, in welcher Stimmung ihr seid.
Mehr von dem, was dir gefällt – mehr Zeit auf der App
Dieses Wissen nutzen die App-Betreiber, um Vorhersagen zu treffen, welche Inhalte euch begeistern. Genau diese Inhalte werden euch später angezeigt. Was dazu führt, dass ihr noch mehr Zeit auf den Plattformen verbringt – und diese noch mehr Daten über euch sammeln können. Die Apps sind also Empfehlungsmaschinen, die sich selbst fortlaufend verbessern.
Je mehr Daten die Plattformen über euch sammeln, desto gezielter können sie euch beispielsweise Werbung für das Skateboard, die Spiele oder Klamotten zeigen, die euer Interesse wecken. Sie wissen schließlich dank eurer geschauten Videos und vergebenen Likes meist ziemlich gut, welche Hobbys und welchen Geschmack ihr habt. Oft verkaufen sie die Infos über eure Vorlieben auch an andere Firmen, die euch ebenfalls Geld aus dem Sparschweinschlitz ziehen wollen. Obwohl die Apps von Youtube und Tiktok kein Geld kosten, zahlen Nutzerinnen und Nutzer somit trotzdem – mit ihren persönlichen Daten.
Wenn die Plattformen zum Kauf überflüssiger Dinge verleiten, ist das ärgerlich. Doch viele in Wissenschaft und Politik glauben, dass durch die datenhungrigen Plattformen weitaus größere Probleme drohen.
Aber sicher!
Betrug: Kriminelle suchen auf Social Media nach möglichen Opfern. Klickt nicht auf unbekannte Links oder verdächtige Anhänge. Seid vorsichtig bei Kontakten, die ihr im echten Leben nicht kennt. Verwendet starke Passwörter und wechselt diese regelmäßig.
Datenklau: Je mehr Informationen ihr von euch preisgebt, desto höher die Gefahr, dass andere sie missbrauchen. Teilt nie eure Handynummer oder eure Adresse. Seid vorsichtig mit Fotos, die euer Gesicht zeigen. Der Bildhintergrund sollte keine Gebäude oder Landschaften zeigen, die verraten, in welcher Gegend ihr wohnt oder zur Schule geht.
Belästigung: Blockiert und meldet Anrufer und Nutzerinnen, die euch belästigen. Speichert ihre Nachrichten als Beweis ab. Stellt sicher, dass euer Profil und eure Kontakte nur für wirkliche Freunde sichtbar sind.
Zum Beispiel scheinen die Algorithmen bevorzugt Inhalte vorzuschlagen, die besonders viel Aufmerksamkeit erhalten – selbst wenn es sich um gefährliche Falschnachrichten handelt oder um Videos, in denen zum Beispiel Mager-sucht verherrlicht wird. Wenn außerdem die Empfehlungen der Plattformen dazu führen, dass Nutzerinnen und Nutzer nur noch Beiträge sehen, die ihrer eigenen Meinung entsprechen, werden sie immer weniger tolerant gegen-über Menschen mit anderer Meinung, was schlimmstenfalls das Zusammenleben und den Frieden untereinander bedroht.

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"Die Plattformen machen ein Geheimnis daraus, welche Nutzerdaten sie genau sammeln und wie und wofür sie diese benutzen", sagt Anna Lena Schiller. Die Datenexpertin arbeitet für die deutsche Organisation "AlgorithmWatch", die mit Forschungsprojekten herausfinden will, wie verantwortungsvoll die Plattform-Betreiber mit ihrer Macht umgehen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, Bevölkerung und Politik aufzuklären. Damit Verordnungen erlassen werden, die das eifrige Datensammeln der Plattformen einschränken und das Verbreiten gefährlicher Inhalte verhindern. Die Betreiber von Youtube, Tiktok und Insta kennen uns inzwischen sehr gut. Höchste Zeit, dass auch wir besser verstehen, wie sie ticken und womit sie ihr Geld verdienen.