Ein Mann, eine Frau, ein Hund. Der Mann, Achim, ist ein spröder Kleist-Literaturforscher. Die Frau, Johanna, ist eine schreibende, mutlos gewordene Mittfünfzigerin. Der Hund, Bredow, ist ein zugelaufenes, schwarzes, ewig kläffendes Balg. Kein Wunder, dass der Ehemann das Balg als Kampfansage empfindet. Schon gar, als der Köter geherzt und geküsst wird und Frauchen mit ihm stundenlang in den Gassen der Stadt verschwindet. "Du darfst den Hund nicht so mürrisch ansehen wie mich. Er merkt es", sagt Johanna. Und der Leser merkt: Hier ist ein Ehepaar unrettbar im freudlosen langjährigen Alltag versunken, umgeben von Freunden mittleren Alters, die auch kein anderes Leben gelernt haben und sehnsüchtig auf der Suche sind nach dem, was immer das wirkliche Leben heisst.
"Frauen über fünfzig landen auf dem erotischen Müllhaufen"
Aber was ist das? Durch Zufall gerät Johanna an eine reiche, dünne, exzentrische russische Fürstin von 90 Jahren, die ihr schreibt: "Fassen Sie sich ein Herz. Kommen Sie nach Mexiko". "Welches Herz soll ich mir fassen", fragt Johanna verzagt, und die Fürstin antwortet verwundert: "Haben Sie denn kein eigenes?" Mit 90 Jahren kann man sich solche kühnen Sätze leisten. Mit 55 ist man dafür zu alt. Denn das ist es nämlich, woran Johanna noch leidet und die Fürstin nicht mehr: am Verblühen der älter werdenden Frau. "Frauen über fünfzig", klagt Johanna, "landen auf dem erotischen Müllhaufen". Und in einem "Spiegel"-Interview fügt Monika Maron hinzu, sie kenne Männer über sechzig, die sich für ältere Frauen interessieren, und damit 45-Jährige meinen. Dabei ist Johanna mit dem eigenen Gatten gut bedient. Achim ist kein geübter Ehebrecher. Nur einmal wirbelte eine schöne junge Maren sein Leben durcheinander, ließ sich kurz hofieren und verschwand, als ihr der Verehrer zu lästig wurde.
Die Meisterin der kleinen Sinnfragen
Die sympathischste Figur - neben dem Hund natürlich - ist ein kahlköpfiger Russe namens Igor. (In "Endmoränen", Marons letztem Roman, taucht er als Johannas Geliebter auf). Igor, Mitte vierzig und Galerist in Berlin, schaut Johanna so an, wie ein Mann eine Frau anschaut, die ihm gefällt. Er hat seine Gründe. Er musste einst mit ansehen, wie seine Mutter betrogen wurde und dann allmählich verlosch. Er kennt den mutlosen weiblichen Blick, wenn Frauen den Kampf um die Liebe verloren geben. Dann hüllt er sie ein in sein männliches Begehren und kassiert als Belohnung leuchtende Augen. Das mag caritativ sein, funktioniert aber als Therapie hervorragend.
Zur Person
Die mit mehreren Preisen ausgezeichnete Autorin (Kleist- und Hölderlin-Preis), geboren 1941 in Berlin, aufgewachsen in der DDR, Stieftochter des ehemaligen DDR-Innenministers Karl Maron, zog ein Jahr vor der Wende nach Hamburg und lebt inzwischen wieder in Berlin.
Monika Maron ist eine Meisterin der kleinen Sinnfragen, hinter denen sich die großen Mysterien des Lebens verbergen. Zum Beispiel: Warum ist mein Hund bedingungslos glücklich, und ich nicht? Das kommt banal daher, kann einen aber tagelang ins Grübeln bringen. Man muss immer für neue Anfänge sorgen, sagt Igor, und so fasst sich Johanna ihr Herz und fliegt nach Mexiko, im Kopf die Frage: Was ist ein gelungenes Leben? Während ihr Mann durch Berlin irrt und rätselt: Warum ist meine Frau weg? Am Ende begreift der Leser: Nicht Mexiko - der Weg ist das Ziel. Wie immer beschreibt Monika Maron ihre Helden melancholisch und mit leiser Ironie.
"Ach Glück" ist der siebte Roman von Monika Maron. Gleichzeitig mit dem Buch erscheint eine Hörkassette im Hamburger Hörbuch-Verlag, gelesen von Martina Gedeck. (4 CDs, 22,95 Euro)