Schlau, schlauer, am schlauesten. Ist aber oft nur dumm, dümmer, am dümmsten. Nervt in Talkshows, doziert in Ringvorlesungen, schwafelt in Expertenrunden, belehrt in Leitartikeln, labert an Stammtischen. Das alles so meinungsstark wie faktenarm. Kritik fasst er als Majestätsbeleidigung auf, Denkpausen als Unterwerfungsgesten. Die einzigen, die seine Monologe und Haarspaltereien wirklich mögen, sind die ihm verwandten Rechthaber, Intelligenzbolzen, Korinthenkacker, Prinzipienreiter, Streber, Klugscheißer und Wichtigtuer.
"Wer würde bei einer Besserwisser-Hitliste die vorderen Plätzen belegen", fragte ich meine Freunde aus dem Ausland.
"Bernhard Bueb", rief mein englischer Freund Harry, "der Oberlehrer der Nation."
"Petra Gerster", rief meine französische Freundin Valerie, "die Mutter aller Rabenmütter."
"Michael Winterhoff", rief meine italienische Freundin Laura, "der Bestseller-Tyrann."
Zur Person
Sven Siedenberg lebt und arbeitet als Journalist und Autor in München. Seine Glossen, Kritiken, Reportagen, Porträts und Essays sind unter anderem im Spiegel, stern, Focus sowie in der Zeit, Süddeutschen Zeitung, Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung erschienen. Er hat an zahlreichen Anthologien mitgewirkt und bereits einige Bücher geschrieben, sein neuestes "Besservisser beim Kaffeeklatsching" ist im Heyne Verlag erschienen.
Ohne den "Besserwisser", schon den allwissenden Brüdern Grimm bekannt, kommt keine deutsche Erziehungsdebatte aus. Pisagebeutelte Eltern beschimpfen sich auf Pausenhöfen, Spielplätzen und Kindergeburtstagen. "Mehr Disziplin!", rufen die einen. "Weniger Verbote!", die anderen. Das deutsche Wort "Besserwisser" hat es im Laufe des 20. Jahrhunderts in den hohen Norden verschlagen, ins Finnische ("besservisser") und Schwedische. Seit einigen Jahren taucht es auch in englischen Zeitungsberichten auf, vor allem in solchen, die sich den innerdeutschen Ost-West-Spannungen widmen.
"Inzwischen hat auch der Ossi das Englische erobert", sagte Harry, "diese ungeliebte Wessi-Hälfte".
"Und der Wessi", sagte meine deutsche Freundin Johanna, "diese ungeliebte Ossi-Hälfte."
Sogar die Amerikaner kennen den "Besserwessi"
Neulich stand sogar das neudeutsche Schimpfwort "Besserwessi" in einer amerikanischen Zeitung: "He is called a Besserwessi, a pun that turns the term besserwisser, which means know-it-all...“ ("Er wird Besserwessi genannt, ein Wortspiel, das den Begriff Besserwisser verdreht, was soviel bedeutet wie Alleswisser...")
"Du musst jetzt aber nicht betonen, dass euer Besserwisser-Paradies auch ein paar versprengte Normalos beherbergt", sagte Harry.
"Wieso?"
"Weil dir das eh keiner glaubt, jedenfalls nicht bei uns in Großbritannien."
"Besserwisser" ist ins Englische, Finnische und Schwedische ausgewandert