Liebe, Geheimnisse und ein unaufgeklärter Mord "Rosa-weiße Marshmallows": Ein Roman, der zu viel will

Zwei Hände halten sich an den Fingern im Sonnenuntergang
Die Verbindung der beiden Schwestern hält sie zusammen (Symbolbild)
©  Irina Gutyryak / Getty Images
Lisa hat ein dunkles Geheimnis, das ihr das Leben in der Gegenwart nahezu unmöglich und sie krank macht – auf dem Weg der Besserung verschwindet sie plötzlich. Zehn Jahre später macht sich ihre kleine Schwester Caroline auf die Suche nach ihr und weitere Geheimnisse kommen ans Licht.

Lisa zieht nach dem Aufenthalt in einer Klinik zu der Familie ihrer Freundin auf eine Farm. Sie fühlt sich leer, kann nichts mehr spüren aufgrund von Ereignissen, die den Lesenden des Romans "Rosa-weiße Marshmallows" lange verborgen bleiben. Das Leben weit weg von ihrer eigenen Familie und ihren Problemen soll ihr bei einem Neustart helfen. Während ein Schamane am allabendlichen Lagerfeuer Schritt für Schritt, Gespräch für Gespräch zu der jungen Frau vorzudringen scheint und Schicht für Schicht ihres Panzers abträgt, kann der Lesende förmlich dabei zuschauen, wie Lisas unsichtbare Wunden sich langsam schließen. Kaum scheint sie zurück ins Leben zu finden, geschieht jedoch ein Mord, der die gesamte Farm erschüttert. Der erste Verdacht fällt auf Lisa – während sie selbst einen anderen Farmbewohner im Blick hat.

"Rosa-weiße Marshmallows" von Bettina Ehrmann, Feiyr Book on Demand, 616 Seiten, 20,99 Euro, hier bestellbar
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© Feiyr / Hersteller

Lisas Geschichte und vor allem ihre Geheimnisse machen die Erzählung von ihrer Zeit auf der Farm so fesselnd. Auch die unterschiedlichen Charakterzüge der Farmbewohner hauchen diesem empfindungsstarken Abschnitt des Buches Leben und Liebe ein. Hinzukommt eine elektrisierende Romanze, bei der man aufgeregt zurückbleibt und atemlos verfolgt, ob die beiden schlussendlich zueinander finden werden oder nicht. Und wer hat den Mord begangen – und warum?

Eine Geschichte mit zwei Teilen

Kaum hat sich der Lesende in das Leben auf der Farm eingefunden, die liebevoll gezeichneten Charaktere ins Herz geschlossen und wartet gespannt darauf, endlich mehr über Lisas rätselhafte und zerstörerische Vergangenheit sowie den Mord zu erfahren, gibt es einen harten Bruch in der Erzählung. Man blättert eine Seite weiter und findet sich plötzlich zehn Jahre später wieder. Bei Caroline, Lisas jüngerer Schwester, die sich auf die Suche nach ihr machen möchte – denn Lisa ist seit dieser Zeit spurlos verschwunden. 

Mit Beginn des zweiten Teils des Buches beginnt für den Lesenden in mehrfacher Hinsicht in eine Art Odyssee. War Teil eins einfühlsam, lebensnah und mitreißend geschrieben, wartet Carolines Suche nach ihrer Schwester mit endlosen Längen auf und lässt den Lesenden mit oberflächlichen Charakteren zurück, deren Handlungen selten nachvollziehbar erscheinen.

Auf der Suche nach ihrer Schwester erhält Caroline Hilfe von Rocco, Lisas altem Freund, der Lisa als Letzter in der Klinik besucht hatte. Scheinen sich die beiden zunächst wenig zu mögen, entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Im Gegensatz zur ersten erinnert diese jedoch an eine Seifenoper: Erst streiten sich Caroline und Rocco heftigst, dann lieben sie sich heftigst und dann passieren Dinge und kommen Geheimnisse ans Licht, die einen kopfschüttelnd zurücklassen. Die Autorin scheint es an einigen Stellen zu gut gemeint und dabei zu tief in die Drama-Romantik-Kiste gegriffen zu haben. Die Suche nach Lisa wird dabei auf hunderten Seiten zur Randnotiz.

Zu viele Ideen auf zu vielen Seiten

Beim Lesen ihres Debütromans entsteht zusehends der Eindruck, als hätte Autorin Bettina Ehrsam sehr viele Ideen im Kopf gehabt und sie alle in einem einzigen Buch unterbringen wollen. Das Buch wankt daher zwischen Familien-, Liebes- und Krimiroman und wird aufgrund dieses Balanceakts keinem der drei Genre wirklich gerecht. Die zahlreichen Wendungen, welche die Geschichte von der einen in die andere Richtung treiben, wirken dadurch teilweise erzwungen, übertrieben und entsprechen nicht der zarten, gefühlvollen und tiefgründigen Erzählweise des ersten Teils.

Es sind schließlich die vielfach gestreuten und in die Geschichte eingewobenen Geheimnisse, die den Lesenden durch das mehr als 600 Seiten lange Buch tragen – und doch bleiben auch nach der letzten Seite weiterhin viele Fragen ungeklärt. Der eingangs beschriebene Mord beispielsweise gerät vollkommen in Vergessenheit und wird nicht aufgeklärt. Es scheint, als hätte er nur dazu gedient, Lisa nicht genesen zu lassen und damit eine Berechtigung für die folgenden rund 400 Seiten zu liefern. Das Mordopfer, aber auch die stark begonnene Geschichte, hätten mehr verdient.

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