Tupperware, Kassenband-Trenner und ur-deutsche Spießigkeit: Der Instagram-Account "alman_memes2.0" macht sich über Alltags-Absurditäten lustig. Nun hat das Paar dahinter ein Buch geschrieben - und nimmt die Leser:innen mit in den typisch deutschen Kleinstadtwahnsinn.
Der Instagram-Account "alman_memes2.0" macht sich über typisch deutsche Eigenheiten lustig und erzählt absurde Alltagsgeschichten anhand der fiktiven Familie Ahlmann. Über 600.000 Abonnenten lachen mittlerweile darüber, wenn Anette Ahlmann mal wieder die Krise kriegt, weil jemand mit der Gabel in ihre Teflon-Pfanne stupst. Oder Freundin Biggi unangekündigt vor der Tür steht. Hinter dem Account steckt das Paar Sina Scherzant und Marius Notter. In ihrem Buch "Noch 3 Treuepunkte bis zum Pfannenset. Kleinstadtwahnsinn mit den Ahlmanns" treiben sie nun die Welt von Achim, Anette, Biggi und Co. auf die Spitze. Mit dem stern haben sie über Humor, Rassismus und deutsche Stereoptypen gesprochen.
Ihr Instagram-Account heißt "alman_memes2.0". Wie würden Sie Ihren Ur-Omas erklären, was sie dort machen?
Marius Notter: Wir machen das, was früher Karikaturen waren. Nur im Internet. Nur ganz anders. Mit Fotos und Texten, die eigentlich nicht zusammenpassen, aber dann eben doch. Und dabei geht’s um deutsche Eigenarten und dass die oft sehr sehr komisch sind. Verstanden?
Wie entstand die Idee zu dem Account?
Notter: Ich habe im Jahr 2017 meinen ersten Alman-Memes-Account gestartet, weil Deutschland so wahnsinnig viele Absurditäten zu bieten hat und über die wollte ich mich lustig machen. Leider wurde der Account dann gesperrt, aber so anderthalb Jahre später habe ich aus der Langeweile heraus wieder damit angefangen und Sina ist mit eingestiegen. Es geht uns darum, alle komischen, absurden aber auch teilweise erschreckenden Verhaltensweisen von Deutschen auf satirische Weise darzustellen, aber gleichzeitig auch zu hinterfragen.
Es geht viel um Nachbarschaftsneid und Spießigkeiten im Alltag - woher nehmen Sie die Inspiration für die Memes?
Sina Scherzant: Hauptsächlich aus dem Alltag, deswegen ist es auch gerade während Corona manchmal schwer, jeden Tag etwas Neues abzuliefern. Momentan beziehen wir uns zum Beispiel viel häufiger auf aktuelle politische oder gesellschaftliche Debatten.
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"Alman-Taxi" mit Moderatorin Daphne Sagner: "Darf man Farbige eigentlich noch sagen?"
Für wen schreiben Sie, wer ist Ihre Zielgruppe?
Scherzant: Eher jüngere Leute zwischen 18 und 35. Dadurch, dass wir kürzlich auf Instagram gemeinsam mit Hans Sigl, dem “Bergdoktor”, live waren, haben wir das Durchschnittsalter auf dem Account aber vielleicht etwas angehoben.
Und was kommt bei denen besonders gut an?
Notter: Memes mit hohem Aktualitätsbezug kommen meistens am besten bei unseren Follower:innen an, sowas wird dann auch viel verschickt. Außerdem kriegen wir häufig die Rückmeldung, dass es super ist, wenn wir mit der Community interagieren. Wir stecken daher sehr viel Zeit ins Community Management, damit es in unserer Kommentarspalte einen lustig-lebendigen Austausch gibt.
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Können die Deutschen denn gut über sich selbst lachen?
Notter: Es geht so. Bis zu einem gewissen Punkt schon, das sieht man ja auch an unseren Followerzahlen. Die meisten Leute aus unserer Community können das auch gut wegstecken, wenn es mal ein bisschen mehr weh tut, aber so in der breiten Masse ist das noch nicht angekommen. Das ist zumindest unser Eindruck.
Scherzant: Wenn es “kultig” ist und wenig schmerzt, ist das für die meisten Deutschen schon in Ordnung, aber alles was darüber hinausgeht, ist leider oft heikel. Wobei uns Leute auch schon als “Volksverräter” bezeichnet haben, wenn wir uns über die deutsche Grill- oder Spargel-Liebe lustig gemacht haben.
"Noch 3 Treuepunkte bis zum Pfannenset. Kleinstadtwahnsinn mit den Ahlmanns" von Marius Notter und Sina Scherzant ist im Rowohlt-Verlag erschienen
Scherzant: Kürzlich wurde ein Meme von uns wegen Hassrede gemeldet, in dem wir uns darüber lustig gemacht haben, dass Deutsche auch im Urlaub nur Schnitzel essen wollen. Das wurde dann tatsächlich von Instagram gelöscht, während viele rechte Accounts weiterhin die furchtbarsten Sachen posten dürfen. Sowas können wir nicht nachvollziehen.
Notter: Generell ist Kritik von rechter Seite nichts, womit wir uns weiter beschäftigen oder davon etwas annehmen. Auch, wenn diese rechten Bedrohungen einem schon Sorge machen, gerade weil man den Eindruck hat, es wird nichts dagegen getan. Es ist frustrierend und wir sind ja nicht die Einzigen, denen es so geht. Andere müssen noch viel krassere Anfeindungen aushalten als wir.
Es gibt auch Kritik daran, dass Sie beide keinen Migrationshintergrund haben, aber den "Alman"-Begriff verwenden – können Sie das nachvollziehen?
Scherzant: Ja, das können wir nachvollziehen beziehungsweise versuchen wir es. Da wir nicht selbst von Rassismus betroffen sind, wäre es wahrscheinlich anmaßend zu behaupten, dass wir die Kritik und alles, was dahinter steht, in seiner Gänze nachvollziehen oder nachfühlen können. Aber wir nehmen das sehr ernst. Uns ist zum Beispiel bewusst geworden, dass wir dadurch, dass wir den Begriff verwenden, nochmal viel stärker in einer antirassistischen Verantwortung stehen als andere und entsprechend agieren müssen. So nutzen wir unsere Reichweite dahingehend immer wieder, machen Spendenaufrufe oder spenden selbst, achten sehr auf die eigene aber auch auf die Wortwahl in unserer Kommentarspalte und haben uns bemüht, rund um das Buch auf den Begriff zu verzichten.
Notter: Ich habe mich ja damals absichtlich für den Begriff entschieden, weil ich befürchtet habe, mit einem Account, der "German Memes" oder "Deutsche Memes" geheißen hätte, die falschen Follower:innen anzulocken. Die Seite war somit von Anfang an eher als Allyschaft gedacht, um Menschen mit Migrationserfahrung zu sagen "Hey, wir wissen, dass Deutschland auch echt scheiße und weird sein kann." Aber man kann in bester Absicht handeln und trotzdem verletzen. Aufgrund der Kritik haben wir uns viel mit dem Thema "Kulturelle Aneignung" beschäftigt und sind da auch weiterhin im Lernprozess.
Jetzt gibt‘s ein ganzes Buch über Anette, Achim, Biggi und Co. – welche Szene hat am meisten Spaß gemacht und warum?
Scherzant: Meine Lieblingsszene ist die Kuchen-Szene in Kapitel vier zwischen Anette und Biggi, weil da ein Disput - der natürlich nicht offen ausgetragen wird - aus einer wahnsinnig absurden Situation heraus entsteht.
Notter: Für mich ist es die Szene, in der Anettes Sohn Andi sturzbetrunken den Berg mit einem Bollerwagen herunterfährt und fast ins Festzelt kracht – denn das habe ich so auch schon gemacht und hatte einen riesen Spaß dabei.
Kennen Sie die deutschen Eigenheiten aus eigener Erfahrung, sind Sie so aufgewachsen?
Notter: Ja, vieles kennt man natürlich aus dem eigenen bzw. erweiterten Umfeld. Wir sagen immer, dass wir im Prinzip 28 beziehungsweise in Sinas Fall 30 Jahre lang zunächst unbewusst, später bewusst für das Buch recherchiert haben. Trotzdem helfen uns auch die zahlreichen Einsendungen unserer Follower:innen, das Gesamtbild zu komplettieren.
Und was haben Sie durch das Projekt über deutsche Stereotypen gelernt?
Sina: Dass die Realität leider häufig noch krasser ist als alles, was wir uns jemals ausdenken könnten.