Sartre hat eine ganze Generation französischer Intellektueller fasziniert - trotz seiner politischen Verirrungen und Widersprüche. Bernard-Henri Lévy, Frankreichs Starphilosoph, veröffentlichte im Jahr 2000 "Sartre. Der Philosoph des 20. Jahrhunderts". Wie erklären Sie sich diese Begeisterung?
Sartre ist einzigartig, denn er hat gleichzeitig ein großes literarisches und philosophisches Werk hinterlassen. Er gehört zu den Autoren des 20. Jahrhunderts, die am meistens kommentiert werden. Derzeit gibt es 800 Wissenschaftler, die sich mit seinem Werk auseinander setzen, davon sind 400 Mitglieder von Sartre- Gesellschaften.
Als Sartre 1954 von seiner Reise in die Sowjetunion zurückkehrte sagte er: "Die Freiheit der Kritik ist in der UdSSR total." Und: "Wenn jemand mir noch einmal zu sagen versucht, dass in der Sowjetunion die Religion verfolgt oder verboten wird, schlage ich ihm die Fresse ein." Wie erklären Sie sich diese Verblendung?
Seine politischen Fehler müssen vor dem damaligen Hintergrund gesehen werden. Es gibt weniger als man behauptet. Man muss das Gesamtwerk sehen, das beeindruckend ist, und sich nicht auf einige negative Punkte und Details versteifen.
Sartre wollte "Spinoza und Stendhal zugleich sein". Er betrachtete das Schreiben als eine Form des Handelns und galt als "totaler Intellektueller" und "engagierter Schriftsteller". Welchen Einfluss hat Sartre heute noch?
Sartre berührt uns im Bereich der Kultur als auch im täglichen Leben. Er hilft uns die Begriffe "Existenziell" und "Erlebtes" zu verstehen. Ich kannte Sartre persönlich und lernte seine Großzügigkeit, Intelligenz und Menschlichkeit schätzen.