60 Jahre Freiwillige Selbstkontrolle Die Sittenwächter der Deutschen

Vor 60 Jahren nahm die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ihre Arbeit auf. Sorgten in der Anfangszeit politisch motivierte Filmverbote für Kritik, ist das größte Problem heute, den Spagat zwischen Kunstanspruch, Jugendschutz und kommerziellen Erwägungen hinzubekommen.

Nicht nur wer mit seinem Kind gerne ins Kino geht, kennt jenen farbigen Kreis mit der Altersempfehlung auf den Kinoplakaten. Es ist das Zeichen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, kurz FSK genannt, und einer Ampel nachempfunden. Unschuldiges Weiß bedeutet frei für alle, höllisches Rot signalisiert einen Film ab 18 mit wahrscheinlich viel Gewalt und/oder Sex. Dazwischen liegen Gelb, Grün und Blau respektive die Alterstufen 6, 12 und 16 Jahre.

US-amerikanischer "Production Code" als Vorbild

Seit nun 60 Jahren unterwirft sich die Filmwirtschaft diesem Moral-TÜV. Die FSK begann ihre Sichtungen am 18. Juli 1949 in Wiesbaden, damals noch im Biebricher Schloss. Am 28.9.1949 übertrugen ihr die alliierten Militärbehörden offiziell die Kontrollbefugnis. Als Vorbild diente der "Production Code" der US-Filmindustrie mit seinen Richtlinien zu Gewalt- und Sexdarstellungen. Nach der umfassenden Zensur der nationalsozialistischen Diktatur drängten die Besatzungsmächte auf die Einrichtung einer privaten, vom Staat unabhängigen Organisation. Seit dem ersten Film "Intimitäten" hat die FSK 174.451 Mal geprüft, und seit 1949 hat sich das Prüfvolumen vervielfacht. Ständig musste die alte Tante FSK Schritt halten mit der sich rasant entwickelnden Technik und sichtet neben Kinofilmen längst Videos und DVDs.

Heute steht sie vor dem Problem der alle Verbote aushebelnden Internet-Bezugswege und Raubkopien. Parallel zur anschwellenden Bilderflut wurde die Gesellschaft liberaler, was sich in moderateren Altersfreigaben niederschlug. So ließen die Sittenwächter den Klassiker "Die Reifeprüfung" 1968 ab 16 und bei einer Neuprüfung 1990 ab 12 zu.

Spagat zwischen Jugendschutz, Kunst und Kommerz

Von Anfang an erfuhr die FSK Kritik, und nicht nur wegen der aus heutiger Sicht spießigen Moralverstellungen. Obgleich laut Grundgesetz Zensur nicht stattfindet, führte die Prüfungspraxis zu politisch motivierten Filmverboten. So wird unter anderem die Nichtfreigabe des Rossellini-Klassikers "Rom offene Stadt", der das Wüten der SS zeigt, von der FSK heute als Jugendsünde gewertet. In vorauseilendem Gehorsam manipulierten die Verleiher nazikritische Filme schon vor der FSK-Vorlage. Bekanntester Fall von Selbstzensur ist der Kultfilm "Casablanca", in dem ein Widerstandskämpfer zum Atomphysiker umsynchronisiert wurde.

In den 80ern wurde mit dem Massenkonsum von Horrorvideos der Schutz der Jugend zur Hauptaufgabe. Seit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes 1985 sitzt in den Prüfungsausschüssen unter den circa 200 meist ehrenamtlichen Vertretern von Filmwirtschaft und öffentlicher Hand auch der Staat: Ein ständiger Vertreter der obersten Landesjugendbehörde. Der schwierige Spagat zwischen Kunstanspruch, Jugendschutz und kommerziellen Erwägungen führt immer wieder zu Verdikten, die Cineasten erbosen.

Kritik an Altersdifferenzierung

Bei Oliver Stones blutiger, aber innovativer Gewalt- und Mediensatire "Natural Born Killers" etwa sah die FSK rot. Häufiger Stein des Anstoßes ist die grobe Altersdifferenzierung zwischen 6 und 12 Jahren. So gehen martialische Fantasy-Epen wie "Der Herr der Ringe" ab 12, gruselige Harry-Potter-Filme schon ab 6 durch. Doch es gibt die Möglichkeit von Widerspruchsverfahren wie im Falle des türkischen Filmes "Tal der Wölfe", in dem wegen antisemitischer und antiamerikanischer Tendenzen die Altersgrenze nachträglich auf 18 erhöht wurde. Zuletzt erfuhr Til Schweigers Erfolgskomödie "Keinohrhasen" wegen Sex-Szenen und derber Sprache eine Hochstufung auf 12 Jahre. Man darf gespannt sein, wie die FSK die Fortsetzung "Zweiohrküken" beurteilen wird.

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Birgit Roschy/AP

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