Der dritte Tag Im Sog des Wettbewerbs

Es ist gar nicht so leicht, einfach mal die Seele baumeln zu lassen in Cannes. Es gelingt nicht, weil man permanent ein schlechtes Gewissen hat und glaubt, etwas zu versäumen.

Es ist gar nicht so leicht, einfach mal die Seele baumeln zu lassen in Cannes. Sich nur für einen Moment an den Strand zu setzten, die Füße ins kühle Meer zu halten oder in einem Café die vielen vorbeiflanierenden Menschen zu beobachten. Es gelingt nicht, weil man permanent ein schlechtes Gewissen hat. Selbst wenn man es geschafft hat, alle Wettbewerbsbeiträge des Tages zu sehen, so gibt es doch immer noch zwei andere große Reihen mit interessantem Programm, plus Sondervorführungen, plus Retrospektiven oder Kurzfilmen. Außerdem präsentieren die internationalen Filmfirmen ihre Produktionen oder laden einfach so ein.

Cannes ist die perfekte Plattform, um der Filmwelt seine Werke schmackhaft zu machen. So stehen stündlich Pressekonferenzen an, Lunches, Dinners, Photocalls oder Roundtables. Kurz, egal was man tut, wie viele Filme man sieht, wie viele Interviews man auch macht, man hat immer das komische Gefühl, etwas zu verpassen. Es fängt schon am Morgen mit dem Öffnen des Pressefaches an: Vollgestopft mit einem Wust aus Zetteln, Presseheften und Informationen scheint es nur darauf zu warten seinen Besitzer zu quälen.

Dann kommt man aus dem Kino, hat gerade Samira Makhmalbafs berührendes Drama "At Five in the Afternoon" über eine junge Frau im heutigen Afghanistan gesehen oder André Téchinés Kriegsdrama "Les ègarés" mit Emanuelle Béart und hat noch nichts davon verarbeitet, noch keinen klaren Gedanken gefasst, während die Kollegen schon wild diskutieren.

Also steht man da, raucht hektisch und statt sich in Ruhe hinzusetzten und über die Filme zu reden, muß der erste Kollege schon wieder weg zu einem Interview mit Ewan McGregor ("Für welchen Film ist der nochmal da?") oder eine Sondervorführung irgendeines dänischen Films, angeblich der totale Geheimtipp ("Wie heißt der und wo läuft der?"). Es ist unmöglich, während der Filmfestspiele den Überblick zu behalten und sich Man steht dann da, raucht hektisch und statt sich in Ruhe hinzusetzten und über die Filme zu reden, muß der erste schon wieder weg zu einem Interview mit Ewan McGregor ("Für welchen Film ist der nochmal da?") oder eine Sondervorführung irgendeines dänischen Films, angeblich der totale Geheimtipp ("Wie heißt der und wo läuft der?"). Es ist unmöglich, während der Filmfestspiele den Überblick zu behalten und sich nicht von der Hektik und dem Pensum der anderen anstecken zu lassen. Es herrscht der totale Informations- und Event-Overkill.

So finden am Abend des dritten Tages gleich so viele Veranstaltungen parallel statt, dass man sich einfach nicht entscheiden kann. Die Teeparty zu dem charmanten englischen Film "Calender Girls" (mit Hellen Mirren und Julie Waters), der außerhalb des Festivals präsentiert wird, sollte man keinesfalls verpassen. Ebenso die Premierenparty zu "Kleine Freiheit" von Yüksel Yavuz, dem einzigen deutschen Beitrag in der Reihe "Quinzaine des Réalisateurs". Auch ein Dinner zu "Terminator 3" auf einer Yacht klingt verlockend, findet aber parallel zu der Wettbewerbsvorfühungen des angeblich sehr gelungenen türkischen Beitrags "Uzak" von Nuri Bilge Ceylan statt. Und vorher läuft auch noch "Young Adam ("Das ist doch der mit Ewan McGregor, oder?").

Vielleicht sollte man sich doch einfach an den Strand legen, die Füße ins Wasser halten und schon mal überlegen, was am nächsten Tag alles auf dem Programm steht.

Bianca Lang

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