Snow Patrol im Interview Wer trinkt, ist frischer dran

Snow Patrol ist eine der großen Popbands unserer Zeit, die sich ihre Kanten bewahrt hat. Kein Wunder bei Frontmann Gary Lightbody, der im Interview mit stern.de kein Blatt vor den Mund nimmt.

Googlen Sie sich manchmal, Herr Lightbody?
Das ist der Weg in den Wahnsinn! Wenn du eine neue Band bist - und wir machen das jetzt schon seit 17 Jahren - dann googlest du dich, um zu sehen, was die alles über dich schreiben. Aber sobald du größer bist, lass es! Leute gehen nicht online, um nette Sachen zu schreiben. Die wollen dich fertig machen. Also warum Zeit verschwenden.

Sind sie ein glücklicher Mensch?
Ich weiß, da ist viel Traurigkeit in den Texten, aber eigentlich sind wir nette Kerle, mit denen man gut abhängen kann. Wenn ich allein bin, bin ich manchmal auch traurig und grüblerisch. Vielleicht etwas mehr als andere Leute, manchmal stehe ich kurz vor der Depression. Aber das ist so, seit ich Kind bin. Also nichts Neues, nichts, was die Band hervorgebracht hätte. Ich habe kein Problem damit, erfolgreich zu sein. Manchmal werde ich einfach traurig, aber meistens geht es uns gut. Es ist der beste Job der Welt - wenn man das überhaupt Job nennen kann. Eher ein Hobby, das verdammt gut funktioniert.

Fühlt es sich manchmal an wie ein Job?
Wenn wir auf einer langen Tour unterwegs sind. Irgendwann kann man einfach nicht mehr und denkt: 'Was für eine Scheiße. Ich bin müde.' Aber dann kommt der Auftritt, und du denkst: Wie geil ist das denn. Der Gig ist immer das Beste. Danach braucht man bis vier, fünf Uhr morgens, um überhaupt wieder runterzukommen.

Und wie kommen Sie runter?
Wegen dieses Hochgefühls gibt es so viele Musiker mit Alkohol- und Drogenproblemen. Das ist das einzige, was dem Gefühl nahekommt, wenn man vor vielen Leuten spielt. Du willst oben bleiben. Und wenn du oben bleiben willst, musst du es manchmal auf anderem Wege machen. Meistens trinken wir eine Menge. In letzter Zeit aber nicht mehr, um die Stimme zu retten. Meist liege ich nach dem Gig einfach im Bett und bin wach. Und wissen Sie was? Wenn ich dann am nächsten Morgen zum Tourbus komme, sehen die, die getrunken haben, viel frischer aus als ich. Die trinken sich einfach bewusstlos, aber ich kann einfach nicht schlafen.

Sind die Schlafprobleme ein Thema unter Musikern?
Du redest mit anderen Bands nicht über Sachen, die nicht so toll laufen. Die haben alle ihre eigenen Probleme. Außer man sitzt nachts mit einem zusammen und heult sich aus. Aber das ist schon in Ordnung. Wir touren gern. Manchmal hätte ich nur gern den Knopf, der zum Auftritt vorspult. Wenn du in einer guten Stadt bist, wie Berlin, kannst in Museen gehen, Dinge erleben. Aber manchmal bist du echt im Nirgendwo. In Canberra oder Winnipeg. Da ist nichts. Der Auftritt war toll, aber die Stadt...

Was macht einen guten Frontmann aus?
Du musst mit dem Publikum reden. Der ganze Auftritt ist eine Unterhaltung. Du gibt Energie und bekommst welche zurück. Das kann überwältigend sein, aber auch unterwältigend. Du fühlst Liebe, du fühlst Verwirrung. Die Atmosphäre ist wie ein Tier. Es gibt diesen neuen Film, "Project Nim", über einen Schimpansen, der wie ein Mensch unterrichtet wird. Und bevor Sie jetzt schreiben "Gary sagt, das Publikum ist ein Schimpanse": Ich meine nicht die Leute, sondern die Atmosphäre.

Die Atmosphäre ist ein Schimpanse?
Es ist wie das Erlernen einer neuen Sprache. Jeder Abend ist anders. Wirklich. Man ist auf dem selben Level oder nicht. Und ich muss versuchen, uns - die Band und das Publikum - auf den selben Level zu kriegen. Manchmal bin ich nett und chamant, manchmal ein bisschen wütend...

Warum wütend?
Um zu sehen, was passiert. Du stößt sie weg und holst sie zurück. Es ist wie ein Date. Du lernst jede Nacht jemand anderes kennen. Und es ist kein Schimpanse!

Gary Lightbody

Andreas Rentz/Getty Images Wenn Gary Lightbody singt, spüren selbst weniger sensible Seelen die Macht der Popmusik. Die Songs von Snow Patrol gehören spätestens seit dem Hit "Chasing Cars" vom Album "Eyes Open" (2006) zu den Pop-Standards. Es gab ein kleines iTunes-Wunder und die Iren fanden sich im Soundtrack von "Grey's Anatomy" wieder. "Fallen Empires" ist das sechste Album der Band, die seit 17 Jahren zusammen auf der Bühne steht, und wurde am Strand von Malibu aufgenommen. "Fallen Empires" ist noch poppiger und hat deutlich mehr Synthesizer als sein Vorgänger, aber auch Balladen wie das Direkt-ins-Herz-Stück "New York" zu bieten sowie diese punktgenauen emotionale Zeilen, für die Lightbody berüchtigt ist. Der Frontmann gibt sich im Interview vorlaut, gut gelaunt - und verdammt selbstsicher

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