Wann macht es denn endlich klick?, fragt das stern-Team mit bangem Blick. Doch statt des Kameraauslösers ertönt wieder nur das Gepolter der silberfarbenen Handtasche, die soeben zum x-ten Mal aus der scherenschnittartigen Frauensilhouette gefallen ist! Ebenso häufig ist der Fotograf Bela Borsodi bereits auf das Set gestiegen, immer bewaffnet mit Zange, Draht und doppelseitigigem Klebeband. Jetzt drapiert er die Tasche erneut in der zwei Zentimeter dicken Holzwand, die er extra für das Shooting hat anfertigen lassen. Ob nun alles halten wird?
Der Stress der Millimeterarbeit bekümmert den Fotografen wenig. "Es ist nun mal so: Auch tote Dinge haben ein Eigenleben." Und er scheut keinen Aufwand, dies hervorzukitzeln. Nur so gelingt es dem Stillleben-Künstler, starre Objekte auf geistreiche und humorvolle Weise in lebendig scheinende Bilder zu verwandeln. Borsodi ist in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, und "meine Eltern haben mir schon sehr früh beigebracht, dass jeder Gegenstand eine Seele besitzt".
Dieser Lehrsatz ist zur Grundlage von jedem seiner Bilder geworden. Egal, ob Bela Borsodi mit bunten Papierbögen Kinderschuhen Tierformen verleiht oder ob er mit Mode-Accessoires wie Taschen, Gürteln und Schuhen die Körperteile eines Menschen nachbildet- immer zeigt er, wie weit sich der Begriff Leben dehnen lässt.
Früher fotografierte er Waren im Wert weniger Franken
Überraschend ist dabei, dass der gebürtige Wiener erst vor sechs Jahren zur Stilllife-Fotografie fand. Die Schweizer Lebensmittelkette Migros beauftragte Borsodi, der bis dahin überwiegend als Porträtist gearbeitet hatte, für einen Jahresbericht die Produkte des Unternehmens in Bildern festzuhalten. Während er damals Waren im Wert weniger Franken fotografierte, sind es nun Luxusgüter, die mehr als das Hundertfache wert sind.
So wie die silberne Tasche für 1350 Euro, die sich als echte Nervensäge entpuppt hat. Der 40-Jährige hat sich vorgenommen, sie so zu modellieren, dass sie wie ein Frauenpo aussieht, und es ist ihm egal, wie viel Zeit verstreicht, bis ihm die perfekte Nachbildung gelungen ist. Endlich, am Abend, ist es so weit: Noch einmal blickt der Fotograf durch die Kamera, legt den Finger auf den Auslöser und ... Klick. Fertig.