Die Sache mit mir und Marion fing ganz harmlos an. Schmerzen im unteren Rücken, vom vielen Sitzen, das Übliche. "Du, geh mal zu der Marion", sagte eine Kollegin. "Die massiert nicht bloß, die geht da ganzheitlich ran." Die Marion ist ein Geheimtipp und auf Wochen ausgebucht. Die Marion stellte mich erst mal nackt vor eine Wand, schoss ein Polaroid ("um zu sehen, wie die Fernordnung Ihrer Faszien ist"), drückte eine halbe Stunde ihre Ellenbogen in mein Gesäß und legte mir zum Schluss eine makrobiotische Diät nah, mit Schwerpunkt auf Algen. Roh. Schaudernd zog ich die Schultern hoch. Der Nacken knackte. "Ich sehe schon, der Nacken - da müssen wir auch dringend ran", sagte die Marion besorgt. "Donnerstag hätte ich noch einen Abendtermin."
Wie alle Geißeln der Menschheit (Nahostkrieg, Liebe, Psychotherapie) ist Massage ein wasserdichtes, sich selbst erhaltendes System. Die besten Masseure haben eine unglaubliche Palette an arbeitsbeschaffenden Maßnahmen, deren Perfidität nur notdürftig durch Fürsorglichkeit getarnt ist. Duftkerzen mit Feigenaroma sorgen für Atemnot ("Ich spüre hier eine Blockade im Brustkorb, da gehe ich das nächste Mal ran"), CDs mit Panflötengedudel, tirilierenden Waldvögeln und gemurmelten Mantren garantieren nervöse Zuckungen in den Waden, gurgelnde Springbrunnen in der Zimmerecke lösen plötzlichen Harndrang aus ("Sie können sich einfach nicht entspannen"), persische Blausalzlampen schließlich verkrampfen den ganzen Körper. "Oh je, Sie Arme. Harte Woche gehabt?" Nein, bis jetzt nicht. Hart wird es nur, wenn ich ihre Massagepraxis betrete.