Nie wieder ... ... Massageterror

Wohlgefühl und Entspannung soll sie bringen, die private Massage. Panflötengedudel und gurgelnde Zimmerbrunnen bewirken allerdings das Gegenteil. Alles Absicht, vermutet Meike Winnemuth.

Die Sache mit mir und Marion fing ganz harmlos an. Schmerzen im unteren Rücken, vom vielen Sitzen, das Übliche. "Du, geh mal zu der Marion", sagte eine Kollegin. "Die massiert nicht bloß, die geht da ganzheitlich ran." Die Marion ist ein Geheimtipp und auf Wochen ausgebucht. Die Marion stellte mich erst mal nackt vor eine Wand, schoss ein Polaroid ("um zu sehen, wie die Fernordnung Ihrer Faszien ist"), drückte eine halbe Stunde ihre Ellenbogen in mein Gesäß und legte mir zum Schluss eine makrobiotische Diät nah, mit Schwerpunkt auf Algen. Roh. Schaudernd zog ich die Schultern hoch. Der Nacken knackte. "Ich sehe schon, der Nacken - da müssen wir auch dringend ran", sagte die Marion besorgt. "Donnerstag hätte ich noch einen Abendtermin."

Wie alle Geißeln der Menschheit (Nahostkrieg, Liebe, Psychotherapie) ist Massage ein wasserdichtes, sich selbst erhaltendes System. Die besten Masseure haben eine unglaubliche Palette an arbeitsbeschaffenden Maßnahmen, deren Perfidität nur notdürftig durch Fürsorglichkeit getarnt ist. Duftkerzen mit Feigenaroma sorgen für Atemnot ("Ich spüre hier eine Blockade im Brustkorb, da gehe ich das nächste Mal ran"), CDs mit Panflötengedudel, tirilierenden Waldvögeln und gemurmelten Mantren garantieren nervöse Zuckungen in den Waden, gurgelnde Springbrunnen in der Zimmerecke lösen plötzlichen Harndrang aus ("Sie können sich einfach nicht entspannen"), persische Blausalzlampen schließlich verkrampfen den ganzen Körper. "Oh je, Sie Arme. Harte Woche gehabt?" Nein, bis jetzt nicht. Hart wird es nur, wenn ich ihre Massagepraxis betrete.

Wenn nichts mehr hilft und ich immer noch verspannt bin, greift Marion zu folgenden bewährten Mitteln:
  1. Sie nennt ihren Job fortgesetzt "Körperarbeit".
  2. Sie erzählt mir von ihrem Umzugsstress, während sie gerade meinen Glutaeus maximus knetet ("... und dann ist auch noch meine persische Blausalzlampe zerbrochen. Oh, Sie sind aber verhärtet hier, das strahlt bestimmt vom unteren Rücken aus").
  3. Sie konzentriert sich auf meine Füße. Ich habe ausgesprochen kitzelige Füße, aber das interessiert sie nicht weiter ("Ich mache das so gern. So halten Sie doch still! Hier, das ist Ihr Seelenpunkt").
  4. Sie erklärt, warum die Welt so ist, wie sie ist ("Wussten Sie, dass Wasser, das aus Kriegsgebieten stammt oder mit Heavy Metal beschallt wurde, im gefrorenen Zustand defekte Kristalle bildet? Wenn Sie bedenken, dass der Mensch zu 70 Prozent aus Wasser besteht ...").
Wenn das immer noch nichts nützt, zückt sie ihre letzte Karte und bietet mir eine brandneue Methode an. Eine Elektroakupunkturmassage, bei der ein fiepender Stift auf Meridiane gesetzt wird ("Das tut jetzt ein bisschen weh. Aber das muss es"). Oder eine hawaiianische Lomi-Lomi-Massage, bei der man durch ein Gebet eingestimmt, in Kokosöl eingelegt und zu Hula-Hula-Musik im traditionellen Fregattvogelschritt umtanzt wird. Ich schwöre, das funktioniert bei mir immer: Hinterher fühle ich mich wie Angela Merkel beim Herannahen von George W. Bush. Verkrampft, verspannt, von Kopf bis Fuß blockiert. Vielen Dank, Marion. Bitte einen Termin für nächsten Donnerstag.

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