Debatte um Corona-Aussagen Precht und Lanz stecken die Köpfe in den Sand – und verpassen eine einmalige Chance

Richard David Precht, Philosoph, aufgenommen im Rahmen des Philosophiefestivals Phil.Cologne.
Richard David Precht, Philosoph, aufgenommen im Rahmen des Philosophiefestivals Phil.Cologne. Für seine falschen Corona-Behauptungen steht er massiv in der Kritik. 
© Rolf Vennenbernd / DPA
Die unhaltbaren Corona-Aussagen von David Precht haben dem Star-Philosophen einen Sturm an Kritik eingebracht. Auch der Talker Markus Lanz kam bei der Causa nicht gut weg. Doch die Chance zur Richtigstellung lassen die beiden ungenutzt verstreichen. 

Seit einer Woche debattiert die Republik über einen höchst denkwürdigen Podcast. Bei "Lanz & Precht" schwurbelte der Philosoph Richard David Precht am vergangenen Freitag über das Thema Impfungen daher. Und Markus Lanz ließ ihn gewähren und gab den Fan-Boy. Auch bei solch unhaltbaren Behauptungen wie, dass Precht "Kinder sowieso niemals impfen lassen" würde, weil "ein im Aufbau begriffenes Immunsystem mit diesem Impfstoff da zu bearbeiten, also das würde ich niemals tun".

Der Auftritt schlug hohe Wellen. Precht muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er stehe dem Querdenkertum nahe und verbreite unbedacht falsche Tatsachenbehauptungen, die von der Wissenschaft längst widerlegt worden sind. "Dr. Wirrkopf" betitelte gar der "Spiegel" den Star-Philosophen. Lanz muss sich währenddessen anhören, er sei subjektiv voreingenommen und komme seiner journalistischen Pflicht nicht nach, solche irreführenden Aussagen richtigzustellen (mehr dazu lesen Sie hier).

Während in den sozialen Netzwerken ein verbaler Kampf zwischen den Precht-Anhängern und den Verteidigern der wissenschaftlichen Wahrheiten entbrannt ist, übten sich sowohl Precht als auch Lanz im Schweigen. Umso gespannter wartete die Öffentlichkeit auf die nächste Ausgabe des "Lanz & Precht"-Podcasts. Wäre es doch die perfekte Gelegenheit für Precht, seine Aussagen richtigzustellen, und für Lanz, seine fachliche Kompetenz zu beweisen. 

Lieblingsbücher statt Corona 

Um 3 Uhr morgens war es an diesem Freitag soweit. Eine neue Folge des Podcasts ging online. Und so steigt Lanz ein: "Seit fünf Wochen sagst du mir jedes Mal 'ich schreibe gerade an meinem Buch'. [...] Ich finde, wir sollten mal heute darüber reden: Was sind deine Bücher? Gibt es da ein Erweckungserlebnis? Was sind deine Lieblingsbücher?"

Wirklich? Lieblingsbücher? Darüber will Lanz mit seinem Freund Precht nach dieser Woche und angesichts der Bredouille, in der beide stecken, reden? Als Zuhörer kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Fast 50 Minuten unterhalten sich die beiden über Asterix und Alexander Solschenizyn. Zu Corona, Impfungen oder der hagelnden Kritik fällt kein Wort. 

Die Taktik der beiden ist offenbar: Den Kopf in den Sand stecken und den Sturm vorbeiziehen lassen. Die Chance zu Klarstellung und der Verteidigung der eigenen Reputation lassen beide ungenutzt verstreichen. Und wer es nicht gut meint mit Precht und Lanz, der mag das Schweigen als ein Schuldeingeständnis deuten. Oder ist es gar Arroganz? 

Wenn David Precht die Ironie entgeht 

"Was glaubst du, wie viele Menschen in der Lage sind, zwei einander widersprechende Dinge so in ihrem Bewusstsein zu speichern, dass sie dort nie zusammentreffen", fragt Precht Lanz in der neuen Podcast-Folge und bezieht sich auf das Verhältnis der US-Amerikaner zur gesetzlichen Krankenversicherung oder die Geschichte der katholischen Kirche. Dass er durch seine eigenen Corona-Falschbehauptungen zu den Menschen gezählt werden könnte, über die er da spricht, leuchtet ihm nicht ein. Wo er doch erst im März dieses Jahres ein Buch unter dem Titel "Von der Pflicht" veröffentlicht hatte. Da sprach er noch denjenigen, die gegen die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller Bürger rebellieren, noch ein Pflichtbewusstsein ab. Bleibt jetzt die Frage: Auch sich selbst?