Freizeit Irgendwo im Nirgendwo

Freizeit: Irgendwo im Nirgendwo
Nebraska ist der vielleicht beste Film des Jahres, den niemand gesehen hat.

Es gibt sie noch, die guten Filme. Vergraben in den Untiefen des Programmkinos fristen sie ein einsames Dasein, drohen zu ertrinken und in Vergessenheit zu geraten, während um sie herum viel Blendwerk die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zieht. Eine Schande, finde ich. Deshalb richten wir jetzt den Blick auf ein Kleinod von Film, der weitgehend unter dem Radar fliegt, aber spätestens nach der Oscarverleihung ein paar mehr Zuschauerherzen wird gewinnen können. Willkommen in Nebraska.

Worum geht’s? Total egal. Eine Inhaltsangabe würde dem Film nicht gerecht werden. Im Gegenteil: Er würde die fünf Menschen vergraulen, die sich auf dieses Blogpost verirrt haben, weil sie dachten, es ginge um das Springsteen-Album. Nicht weggehen. Hierbleiben. Nebraska ist Rock ’n‘ Roll – und der beste Film des noch jungen Jahres.

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Wie wenig »Muss ich sehen!«-Reflex der Film beim potentiellen Zuschauer weckt, davon durfte ich mich selbst überzeugen. Drei Menschen fragte ich, ob sie denn nicht mit mir ins Kino gehen wollten. Der neue Film von Alexander Payne liefe im hiesigen Lichtspielhaus. Wer, fragte man mich? Alexander Payne, wiederholte ich. Der Regisseur von Sideways, About Schmidt, The Descendants. Keine Reaktion. Also setzte ich mich eines Abends alleine ins Programmkino, umzingelt von älteren Herrschaften mit Wein und Weib.

Damit kommen wir auch schon zum Kernproblem des Films: Er lässt sich nicht an Otto-Normal-Zuschauer verkaufen. Nicht an den Mann bringen, nicht an die Frau und ganz bestimmt nicht ans Kind. Wer sich den Trailer angesehen hat, hat die Prämisse schon erraten: Seniler Opa fährt mit Sohn ins triste Heimatkaff, um einen angeblichen Millionengewinn abzuholen – und trifft dabei auf noch viel ältere Menschen. Außerdem ist der Film in Schwarz und Weiß. Achherjemiene.

In Zeiten von Hobbits und Superhelden, 3-D und CGI-Effekten, klingt das nicht wie ein Streifen, den man im Kino gesehen haben muss. Die amerikanischen Box Office-Charts spiegeln diesen Gedanken wider: 8.2 Millionen US Dollar hat der Film (Stand heute) eingespielt – und damit nicht einmal die Produktionskosten gedeckt (ca. 13 Millionen). Zum Vergleich: Disneys thront auf Platz 1 mit satten 317.3 Millionen. Ein Film für junge Menschen.

Ja, Nebraska ist ein leiser Film. Er zeigt die ungeschönte Wahrheit des Altseins und die Suche nach einem Fitzelchen Würde. Er spricht diese Dinge nicht aus, zeigt keine Nahaufnahmen von tränendurchtränkten Gesichtern, hält keine Monologe auf das Leben, mündet nicht in einer Katharsis und macht auch keine Hoffnung auf eine bessere Welt. Aber Scheiße, er keept real – wie die jungen Leute sagen.

Trotzdem – und das ist die eigentliche Glanzleistung – ist Nebraska kein deprimierender Film (bei den Golden Globes sogar in der Kategorie Komödie nominiert). Er bietet herrliche Situationskomik und hat mehr Herz im kleinen Finger als manch ein Hundert-Millionen-Dollar-Vehikel am ganzen Daumen. Und so verabschiedet dieser grundmelancholische Film den Zuschauer dann auch in den Abspann: Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Sprung im Herzen.

Foto: © Ben Pruchnie Getty Images For Paramount