Schulzeit Wenn der Störenfried auf seine alten Lehrer trifft

Ein Lehrer zieht einem Schüler die Ohren lang
Früher wurden Störenfrieden in der Schule noch die Ohren lang gezogen. Da hat unser Autor noch einmal Glück gehabt, dass er nicht in dieser Zeit zur Schule gegangen ist. Schließlich war er ein kleiner Unruhestifter. 
© Getty Images/Stolk
Unser Autor war während seiner Schulzeit ein Störenfried. Umso gespannter war er, als er seine alten Lehrer nach langer Zeit wiedertraf. Wie reagieren sie wohl auf den ehemaligen vorlauten Schüler vergangener Tage? Auf jeden Fall anders als gedacht.

Ich will gar nicht um den heißen Brei reden. In meiner Schulzeit hatten es die Lehrer mit mir nicht immer leicht. Ich hatte zwar stets gute Noten. Dennoch war ich laut, unkonzentriert und habe immer das gemacht, was überhaupt nichts mit dem Unterricht zu tun hatte. Es war quasi an der Tagesordnung, dass mein Fehlverhalten im Klassenbuch festgehalten wurde. Zurecht. Doch damals fühlte ich mich natürlich immer ungerecht behandelt: "Wieso immer ich?", so mein Credo. Mittlerweile habe ich mehr als Verständnis für meine alten Lehrer. Vor allem dann, wenn man sie nach über vier Jahren wiedertrifft.

Es war Anfang Juli. Die diesjährigen Abiturienten meiner alten Schule hatten ihren Abiball. Wäre mir eigentlich völlig egal gewesen, wenn mich nicht ein alter Schulkamerad gefragt hätte, ob ich nicht Lust hätte mitzukommen, mal die alten Lehrer wiederzusehen. Wieso eigentlich nicht, dachte ich mir, und sagte zu.

"Was machen Sie denn hier?"

Etwas Mut musste ich mir schon antrinken, um den Saal zu betreten, in dem die Veranstaltung stattfand. Ich hatte den Raum kaum betreten, da stand ich auch schon vor meinem alten Sportlehrer aus der Oberstufe. Sofort fielen mir die zwei Sätze ein, die er nach jeder Unterrichtsstunde wie eine kaputte Schallplatte wiederholte: "René, vom sportlichen Aspekt müssten Sie eigentlich eine Eins bekommen. Nur ist Ihr soziales Verhalten leider mangelhaft, was ich überhaupt nicht verstehen kann."

Der Grund: Ich räumte nie die Geräte ab, kommentierte schlechte Leistung anderer mit einem lauten Lachen oder einem dummen Spruch und beschwerte mich über die Einfachheit der Aufgaben. All das ging mir durch den Kopf, als ich ihn mit einem "Moin" begrüßte. "Was machen Sie denn hier?", fragte er mich. "Ich wollte meine soziale Note aus dem Sportunterricht von einem Mangelhaft in ein Befriedigend verbessern", antwortete ich etwas frech. Immerhin quittierte er es mit einem Schmunzeln.

Daraufhin unterhielten wir uns kurz, was ich jetzt so mache und was mein Plan für die Zukunft sei. Aber eine Moralpredigt aufgrund meines früheren Verhaltens hielt er mir nicht. Ganz im Gegenteil, ich hatte sogar das Gefühl, dass er beinahe vergessen hatte, wer ich bin. Das machte mich etwas stutzig: War ich vielleicht doch nicht so schlimm? Oder gibt es solche Fälle wie mich immer wieder?

Ein Störenfried ist wie eine schlechte Erinnerung – sie wird schnell vergessen

Die Antwort auf meine Frage bekam ich, als ich auf meinen ehemaligen Oberstufenkoordinator traf. "Hallo, Herr Streich* (Name geändert)", begrüßte ich ihn und er fragte mich, ob wir uns denn kennen würden. "Ja, ich habe 2013 hier Abi gemacht", antwortete ich etwas verdutzt. An mein Gesicht könne er sich zwar erinnern, aber mehr auch nicht. Das verwunderte mich nun wirklich.

Schließlich hieß es immer, dass ich einer der größten Störenfriede der Schule gewesen sei. Eigentlich dachte ich, dass mein Name immer noch durchs Lehrerzimmer geistert – wie eine Art Schreckgespenst. Wohl eher war ich eine schlechte Erinnerung, die man schnell vergessen wollte. Immerhin mein Englischlehrer aus der neunten bis zehnten Klasse wusste, dass er mich mal unterrichtet hatte.

"Sie müssen sich nicht entschuldigen"

Er erinnerte sich noch an jede Kleinigkeit, die ich gemacht hatte: Vom Tafelschwämme werfen bis hin zu Kreiden entfernen, damit der Unterricht nicht stattfinden konnte. "Wissen Sie, ich kam aus Aachen nach Hamburg und dann traf ich auf Ihren besten Freund und Sie. Eigentlich muss ich Ihnen dafür danken", erzählte er mir. Mit der Reaktion hätte ich jetzt nicht gerechnet. "Sie beide waren die am schwierigsten zu unterrichtenden Schüler, die ich je hatte. Danach war ich für alles gewappnet", begründete er seinen Dank.

Da war es. Die Worte, auf die ich gewartet habe. Die Worte, die mir verdeutlichten, dass ich in gewisser Weise noch immer Teil der Schule bin. Dennoch hatte ich irgendwie das Bedürfnis, mich zu entschuldigen und zu fragen, warum sich einige Lehrer nicht mehr an mich erinnern: "Sie müssen sich nicht entschuldigen. Sie waren ja kein Problemkind, nur etwas vorlaut und frech. Solche Schüler gibt es in jedem Jahrgang. Die werden aber auch schnell wieder vergessen, wenn sie Abitur gemacht haben. Schließlich sind sie ja nicht mehr das Problem der Schule", erzählte er mir.

Das mag für die meisten komisch klingen, aber irgendwie war ich erleichtert und enttäuscht zugleich. Denn auf der einen Seiten war ich mein schlechtes Gewissen los, den Lehrern ihren Job erschwert zu haben, und auf der anderen Seite war ich traurig, dass man meinen Namen trotz meines Verhaltens so schnell vergessen hatte.  

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