Läuft bei ihr! Wie diese Frau die Männerwelt schockte – und den Marathon revolutionierte

Die Marathon-Läuferin Kathrine Switzer einmal 1967 und 2018
1967 lief Kathrine Switzer als erste Frau überhaupt mit einer offiziellen Startnummer den Boston-Marathon. Nun lief sie 51 Jahre später den London-Marathon.
© Getty Images/Picture Alliance/NurPhoto
Kathrine Switzer ist 1967 eigentlich "nur" gelaufen. Doch damit schreibt die US-Amerikanerin Sportgeschichte. Sie revolutioniert eine Sportart. Der Marathon ist danach nicht mehr derselbe. Obwohl sie heute 71 Jahre alt ist, läuft sie noch immer: so wie am vergangenen Sonntag den London-Marathon.

Ein Marathon, das sind 42,195 Kilometer. Eine Strecke, die wohl kaum einer ohne Training meistert. Die US-Amerikanerin Kathrine Switzer schaffte es am Sonntag beim London-Marathon, die Distanz zurückzulegen – und das im Alter von 71 Jahren. "London Marathon Finisher", stand ganz groß auf einem Bild in ihrer Instagram-Story. Eine beachtliche Leistung für ihr Alter. Aber noch beachtlicher ist ihre Geschichte.

Es ist mittlerweile über 51 Jahre her: Am 19. April 1967 will die damals 20-Jährige Switzer als erste Frau überhaupt mit einer offiziellen Startnummer den Boston-Marathon laufen. Was heutzutage das Normalste der Welt ist, scheint damals ein Ding der Unmöglichkeit. Seinerzeit glauben Sportfunktionäre tatsächlich, dass Frauen körperlich gar nicht in der Lage seien, einen Marathon zu laufen. Sie würden dicke Beine und einen Schnurrbart bekommen oder ihnen könnte die Gebärmutter rausfallen. 800 Meter beträgt deshalb zu jener Zeit die längste olympische Laufdistanz für Frauen.

Switzer will das ändern. Sie sagt ihrem damaligen Trainer Arnie Briggs, dass sie auch einen Marathon laufen möchte. "Frauen, die können das nicht", zitiert Switzer Briggs in einem Interview mit der BBC. Sie habe mit ihm anschließend so lange diskutiert, bis er ihr ein Angebot gemacht habe: Wenn sie im Training die mehr als 40 Kilometer lange Strecke durchhalte, werde er sie für den Boston-Marathon anmelden.

"Gib mir die Startnummer"

Gesagt. Getan. Sie beweist es ihrem Coach im Training. Der wiederum löst sein Versprechen ein. "In den Regelbüchern stand nichts übers Geschlecht. Ich trug mich mit meinen Initialen (K. Switzer, Anm. d. Red.) ein und zahlte meine zwei Dollar Startgebühr", sagt sie. "Die Veranstalter gingen dennoch davon aus, dass ich ein Kerl sei – und gaben mir die Nummer 261." Das Wetter spielt ihr an diesem Tag in die Karten. Es schneit. Und so versteckt Switzer ihre langen Haare unter einer Wollmütze und ihre weiblichen Rundungen unter einem dicken Trainingsanzug. "Ich stand inmitten dieser Gruppe", so die Amerikanerin. "Wir sahen alle gleich aus. Ich fiel also nicht auf."

Katherine Switzer läuft den Boston-Marathon 1967
Der Rennleiter versuchte, Kathrine Switzer die Startnummer abzureißen
© Getty Images

Es habe ihr die ersten Kilometer richtig Spaß gemacht. Selbst als die Presse sie entdeckt habe, sei noch alles normal gewesen. "Die waren natürlich völlig außer sich, dass da auf einmal eine Frau mitlief", erzählt Switzer der BBC. "Ich habe sogar extra gewinkt." Kurz danach hört sie Schuhsohlen. Nein, das sind keine Laufschuhe. Das ist kein Läufer hinter ihr. Als sie sich umdreht, sieht sie, wie der Rennleiter Jock Semple hinter ihr herjagt. "Scher dich von meinem Rennen – und gib mir die Startnummern", habe er ihr zugerufen. Er versucht sie sogar festzuhalten und ihr die Nummern persönlich von der Bekleidung zu reißen. Zum Glück greift ihr Geleitschutz  ein – ihr Trainer Arnie Briggs und ihr damaliger Freund Tom Miller, ein Footballspieler, der 115 Kilogramm auf die Waage bringt. Letzterer räumt den Leiter aus dem Weg.

Trotz des abgewehrten Angriffes denkt Switzer kurzzeitig ans Aufhören. "Ich wusste aber, ich muss das Rennen beenden", sagt sie der BBC. "Wenn ich aufgegeben hätte, hätte es geheißen, dass Frauen einfach keinen Marathon laufen können." Und sie schafft es tatsächlich. Nach vier Stunden und zwanzig Minuten erreicht sie das Ziel. Die Reaktionen sind gespalten. Einige Zuschauer sind begeistert, andere dagegen empört. Auch die Presse ist gespalten. Es gibt sogar Journalisten, die die Männerdomäne Marathon bedroht sehen. Dennoch schreibt Switzer Geschichte. Sie ist die erste Frau, die mit einer offiziellen Startnummer einen Marathon gelaufen hat.

Auch mit 71 Jahren zeigt es Switzer beim Marathon allen

Ihr Mut und ihr Engagement tragen großen Anteil daran, dass 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles erstmals auch Frauen im Marathon um Medaillen mitlaufen. Kathrine Switzer ist da bereits zu alt. Mit dem Laufen aufgehört hat sie aber bis heute nicht. Noch immer wagt sie sich an die 42,195 Kilometer. So wie am Sonntag beim London-Marathon.Das Ziel ist mittlerweile nur ein anderes. Es geht nicht mehr darum, den Männern zu beweisen, dass Frauen auch einen Marathon laufen können. Es geht nun ausschließlich darum, es sich selbst zu beweisen, dass sie es auch im hohen Alter immer noch drauf hat – und das hat sie. Nach vier Stunden und 44 Minuten erreicht sie das Ziel. Der Medienrummel im Ziel um ihre Person ist nicht mehr der gleiche. Sie ist mittlerweile eine von tausenden Frauen. Doch ohne Switzer wären es vermutlich deutlich weniger.

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