Es gibt drei Möglichkeiten, Urlaub zu machen. Erstens: alleine. Das kann Spaß machen, aber auch sehr langweilig werden. Fragen, die man sich nach ein paar Tagen stellt: Wohin mit all der Zeit? Was tun, wenn man Ruhe gesucht hat und nur Einsamkeit findet?
Zweitens: mit seinem Partner. Das kann sehr aufregend sein, aber auch sehr ernüchternd. Fragen, die man sich nach ein paar Tagen stellt: Was tun, wenn man Zweisamkeit sucht und nur Langeweile findet? Und fragt er mich jetzt echt schon wieder, ob ich ihn eincremen kann?
Die dritte Möglichkeit ist der Urlaub mit Freunden, am besten mit möglichst vielen. Das kann prima werden. Oder ein Alptraum. Die Frage, die man sich nach ein paar Tagen stellt: "WAS ZUR HÖLLE MACHEN DIESE IRREN IN MEINEM HAUS?" - "Es ist nicht dein Haus", versucht meine Freundin mich zu beruhigen. " Es ist unser Haus. Wir haben es gemeinsam gemietet." - "Ja, aber ich hab diese Hottentotten hier versammelt! Es sind unsere Freunde, sie brüllen sich nur noch an!" Meine Freundin betrachtet mich zweifelnd. Ich schicke sie in die Küche, um sich selbst ein Bild zu machen.
Die Küche ist ein Schlachtfeld
Dort sieht sie Sebastian, der gerade Gertrude als "verdammte Ökotusse!" beschimpft. Gertrude heult. " Mal halblang, Arschloch!", schreit Marco, Gertrudes Freund. Die Küche ist ein Schlachtfeld. In einem Umkreis von zehn Metern ist alles und jeder im Raum mit Espressopulver bespritzt: Die vormals weißen Wände sehen aus wie das Fell eines gewaltigen, dreckigen Straßenköters. Steinfliesen, Gardinen, die Einkäufe auf dem Küchentisch, auch Sebastian, Gertrude und Marco sind schwarz gesprenkelt. Das ist nicht mehr die Küche unserer angemieteten Luxusvilla, das ist die Feldküche einer Armee im Dschungelkrieg.
Sebastian wollte Kaffee kochen und hatte dazu eine riesige italienische Espressokanne auf den Herd gestellt - ohne zu prüfen, ob die Gummidichtung in die Kanne eingesetzt war. War sie nicht. Die Hitze der Herdplatte hatte Kaffeewasser und Espressopulver auf einen Schlag durch das Sieb gepresst, der Inhalt der Kanne war in unserer Küche explodiert - gerade als sich Gertrude beschwerte, dass Sebastian statt "FairTrade"-Kaffee das günstige Supermarktpulver gekauft hatte. Deswegen die "Ökotusse".
Alptraum in der Traum-Villa
Ich habe sechs unserer besten Freunde in dieses Traumhaus auf Mallorca eingeladen. Die anderen kannten sich untereinander kaum - und ich hatte den naiven Gedanken, dass sich Gegensätze doch anziehen und deshalb auch so unterschiedliche Menschen wie der erfolgreiche Jurist Sebastian und die missionarische Weltverbesserin Gertrude zusammenfinden könnten. Irgendwie bin ich also für dieses Chaos verantwortlich. Die anderen sehen das leider genauso. Ich packe meine Sachen und geh erst mal alleine zum Strand.
Ich kann Urlaub mit Freunden nur empfehlen. Der Gedanke ist ja phänomenal: Wer verdient schon genug Geld, um sich für den Urlaub eine Luxusvilla leisten zu können? Geteilt durch sechs oder acht ist aber auch das tollste Haus deutlich günstiger als jeder (viel weniger luxuriöse) Urlaub allein oder zu zweit.
Gleichzeitig gibt es eine "goldenste Regel" und mehrere "goldene Regeln", die unbedingt beachtet werden müssen, um diesen Urlaub genießen zu können. Ich habe sie am Strand entwickelt, während sich meine Freunde in unserer Dschungelkriegsküche gegenseitig anschrieen.
Die goldenen Regeln für Urlaub mit Freunden
Die goldenste Regel: Übernimm möglichst wenig Verantwortung für diesen Urlaub. Lass dich einladen, statt selbst einzuladen. Sei ein Organisationsschmarotzer, der gefragt wird, ob er für zwei Wochen irgendwohin mitkommen möchte.
Hänge dich an dieses eine brave Managementtalent in deinem Freundeskreis, das die Planung wahrscheinlich sogar gerne übernimmt, das Haus und den Wagen mietet, die anderen Gäste auswählt und einlädt. Unverschämt? Tja. Ja. Aber eine andere Lösung fällt mir nicht ein.
Aus dieser Unverschämtheit folgen die goldenen Regeln. Zunächst: Du bist ein Gast. Sei ein guter Gast. Hilf beim Abwasch, kauf großzügig ein, mach die mühsamen Fahrten in die Stadt, verleih dein Duschgel freigebig. Warum? All diese Arbeiten sind keine Schwierigkeit im Vergleich zu dem Druck, den der Organisator spürt. Macht ihm oder ihr das Leben möglichst leicht.
Informationen zur Finca
Das Haus in unserer Geschichte heißt "Reco de Marina" und steht auf Mallorca. Kontakt über www.villaspollensa.com oder telefonisch unter +34 9 71 53 41 60
Die zweite goldene Regel: Jeder kann machen, was er will. Nichts ist schlimmer als Zwangsveranstaltungen. Ihr seid zwar gemeinsam im Urlaub - das heißt aber nicht, dass ihr auch jeden Abend zusammen Malefiz spielen müsst oder am Strand nicht auch mal alleine liegen könnt.
Die dritte goldene Regel: kein Streit ums Geld. Die vierte goldene Regel: Die Hauswände sollten wenigstens so dick sein, dass man die befreundeten Paare nicht beim Sex hört. Die fünfte goldene Regel: Jeder ist mal für die Musik zuständig. Das war's schon.
"Nächstes Jahr machen wir das wieder"
Als ich vom Strand zurückkomme, hat Sebastian schon Farbe gekauft. Seltsamerweise helfen alle mit, als wir die Küche neu streichen, setzen sich dabei Malerhüte aus gefalteten Zeitungen auf und trinken zu viel Bier. Als wir fertig sind, liegen sich Gertrude, Sebastian und Marco betrunken in den Armen. Ich überlege, ob ich meine goldenen Regeln auf ein Stück Papier schreiben und irgendwo aufhängen sollte, aber ... ach, auch egal. " Nächstes Jahr machen wir das wieder!", ruft Sebastian. " Und wer sucht ein Haus aus?", fragte Gertrude. Alle sehen mich an. Ach... Mist. Ach... was soll's.