Im Gegensatz zum Menschen kommt ein Kreuzfahrtschiff bereits im Alter von 16 Jahren in die Midlife-Crisis. Die Aida-Schiffe der ersten Sphinx-Generation ab dem Baujahr 2007 sind nun im diesem Alter und werden deshalb einer umfangreichen Frischzellenkur unterzogen. Die jeweils siebenwöchige Modernisierung der kleineren Schiffe gilt als beispiellos für die Branche.
Ort des Mammutprojekts der Rostocker Reederei ist die Werft Chantier Naval in Marseille. In dem 450 Meter langen Dock liegt die 2008 auf der Meyer Werft auf Kiel gebaute "Aida Luna" auf dem Trockenen. Über 75 Treppenstufen geht es hinab in das Trockendock und direkt an den Schiffskörper, der gerade einen neuen, bewuchshemmenden Unterwasseranstrich erhalten hat. Am Heck glänzen die beiden frisch polierten, fünf Meter hohen Schiffspropeller, die man sonst nie zu sehen bekommt.
Aida Evolution: Umbau statt Neubau
"Einen so großen Umbau haben wir noch nie gemacht", sagt Kapitän Boris Becker. Der langjährige Aida-Kapitän überwacht mit seinen Teams die Arbeiten. Die 648 Personen umfassende Crew ist mit dabei. Statt sich um die Versorgung der Passagiere zu kümmern, finden sie sich im Team Transportation, Security oder Catering wieder.
Zunächst galt es, das Mobiliar auszuräumen und Platz für die Arbeiten der Handwerker und Techniker von 140 verschiedenen Firmen zu schaffen. Geschlafen wird auf dem nebenan am Kai angemieteten Fährschiff "Rhapsody".
Bis zu 2200 Mitarbeitende sind zu Spitzenzeiten an Bord, um die Inneneinrichtung auf den neuesten Stand zu bringen. "Aus dem Feedback unserer Gäste haben wir viele Wünsche erfahren, die wir nun umsetzen. Außerdem bringen wir Konzepte und Vertrautes der jüngsten Aida-Generation an Bord", sagt Hoteldirektor Stefan Weder. So bekommt jede Kabine USB-Steckdosen am Bett, Nachtlichter, Schminkspiegel und neue Armaturen in den Bädern. Insgesamt werden 35.000 Quadratmeter Teppiche ausgetauscht.
Auch werden mehrere Kabinen zu größeren Familiensuiten zusammengelegt, und die Treppenhäuser erhalten interaktive Screens. Insgesamt sind mehr als zwölf Kilometer Glasfaserkabel und 28 Kilometer Kupferdraht neu verlegt worden. Knapp 5000 ausgeräumte Möbelstücke gingen als Spende an Organisationen in Norddeutschland und in die Ukraine.
Handwerker wuseln in blauen und weißen Overalls
Das Herz des Schiffes, das sich über die Decks 9 bis 11 erstreckende Theatrium, ist für die Vergoldungsarbeiten eingerüstet. Es riecht nach Farbe und Kleber für die Teppichböden, Wände werden abgeschliffen. Noch ist die Bühne vollgestellt mit Maschinen und Werkzeugkisten der Polsterer. Es wird mehr Sitzbereiche auch mit Lehnen und Couches geben sowie eine diskretere Farbgebung. "Nicht mehr das Kunterbunte der 90er-Jahre", so Stefan Weder.
Die benachbarte Sushi-Bar verwandelt sich in eine Tapas-Bar, wie ein Schild verrät. Die Zahl der Restaurants wird auf acht erhöht, die der Bars auf zehn. Darunter sind dann zukünftig auch das von den jüngsten Schiffen bekannte SB-Restaurant Yachtclub oder die Rossini Lounge nur für Suiten-Gäste.
Umwelttechnisch erfolgten bereits viele Neuerungen bei einem kürzeren Werftaufenthalt Anfang 2024. Aber jetzt erhält das Schiff effizientere LED-Beleuchtung und eine optimierte Umkehrosmoseanlage zur Wasseraufbereitung. "Auch haben sich Regularien innerhalb von 20 Jahren geändert", so Kapitän Becker. Jedes Restaurant bekommt am Eingang eine Handwaschstation.
Seit Ende Oktober wird auf dem Schiff gearbeitet. Die Reederei investiert nach eigenen Angaben bis 2028 einen dreistelligen Millionenbetrag in die Modernisierung der sieben Schiffe der Selection-Flotte. Nach der 49-tägigen Werftzeit soll die "Aida Luna" zu Weihnachts- und Silvesterreisen im westlichen Mittelmeer aufbrechen und ab Januar 2026 Kreuzfahrten ab Gran Canaria unternehmen.
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