Partysaison Schlaflos auf Ibiza

  • von Matthias Lauerer
Alljährlich eröffnet der Frankfurter DJ Sven Väth mit tausenden Deutschen die sommerliche Partysaison auf Ibiza. Dieses Jahr jedoch war alles etwas anders.

Schön waren die sieben Party-Jahre gewesen, die Clubbetreiber und Techno-DJ Sven Väth mit seiner Truppe im schicken Ibiza-Club "Amnesia" verbrachte. Mit seiner Party-Reihe "Cocoon" residierte er seit dem Sommer 2000 auf der Balearen-Insel. Und mit ihm tausende, vor allem deutsche, Touristen, ihm nachreisten, ihren Urlaub nach den Partys des DJs legten. Doch 2007 kam alles ganz anders. Das "Amnesia", der bekannte Club "DC 10" und die Strandbar "Bora Bora" wurden von den Behörden kurz vor Beginn der Saison in einer Nacht und Nebel Aktion geschlossen. Offizielle Version: massiver Drogenkonsum der Besucher in den Jahren 2005 und 2006. Inoffizielle Version: die drei Betreiber hatten wohl zu wenig Geld bezahlt, um ihre Clubs offen zu halten. "Cocoon" reagierte schnell und zog samt kompletter Entourage ins "Privilege" um. Mit nettem Nebeneffekt: Das Privilege ist der größte Club der Welt. stern.de sah sich bei der Cocoon-Eröffnung um.

Gegen 23.00 Uhr treffen sich die ersten Partygäste vor dem "Privilege". Unter ihnen Tobi, 26, aus Nürnberg. Sein Wunsch für die Nacht: "Ich will endlich mal keinen Minimal-Sound hören", sprich: nicht nur harte Techno-Beats, sondern etwas mehr Melodie. Doch das wird schwierig, denn eben dieser Beat ist Programm für die Nacht. Viele deutsche Sprachfetzen fliegen hier durch die Luft. Noch ein paar Minuten, dann soll es losgehen. Einige Absperrgitter werden jetzt noch schnell vor die Tür gestellt. Dann rollt die Masse hinein. Und der Event sorgt nicht nur beim Partyvolk für Aufregung, etliche Journalisten wollen einen Blick auf Europas angesagtesten Partyort werfen. Selbst "Arte" ist da, dreht für seine "40 Jahre Summer of Love Doku".

Das richtige Bändchen zählt

Unter der riesigen Kuppel hat sich das Party-Volk versammelt. Die DJ Kanzel mit "Privilege"-Logo schwebt über dem Swimmingpool. Alles scheint hier ein wenig zu groß geraten. Die Atmosphäre gleicht der in den Dortmunder Westfalenhallen, wenn alljährlich bis zu 30.000 Feiernden zur Technoparty "Mayday" anreisen.

Später in der Nacht ist Cocoon-Presselady Diana Doko damit beschäftigt, etliche Medien-Kollegen mit in die "Freunde-vom-Sven-Area" zu begleiten. Und diese Arbeit ist nicht immer so einfach. Denn am roten Band, das den Eingang vom normalen VIP-Publikum trennt, steht ein englischer Fleischklops, ergo Türsteher, der sich beim Einlass nicht sehr vornehm britisch zeigt. Nur das gelbe Band an der Hand will er erkennen, beim schwarzen, obwohl eben erst ganz offiziell verteilt, setzt sein Gehirn einfach aus. Doch Diana Doko kümmert sich darum und organisiert die gewünschten gelben Zutrittsbänder.

Massagen von Engeln

Gegen zwei Uhr morgens marschiert der Star des Abends, Sven Väth, piratenmäßig mit Drei-Tage-Bart und in schwarz-weiß gewandet in Richtung DJ Kanzel. Er tut es jedoch nicht, ohne zuvor noch sehr heftig mit seiner sehr hübschen blonden Freundin zu knutschen. Dann legt der 43-Jährige mit zwei Turntables und drei Mischpulten los. Über ihm: 13 große, bunte Bälle, die sich heftig um sich selbst an der Decke drehen. Vor ihm: die wogende Masse Party-Menschen, neben denen bildhübsche Cocoon-Tänzerinnen und Tänzer an Seilen akrobatische Höchstleistungen absolvieren. Neben ihm: der Swimmingpool, in den Tobis Freund gegen drei Uhr fällt. Und dann er, wegen dem sie alle gekommen sind und der hinter den Plattentellern wie Buddha persönlich steht. Sein augenscheinliches Motto: You got to say yes to another excess! Mal reißt Sven Väth die Hände hoch, dann zieht er sich das T-Shirt über den Kopf oder winkt mit zwei Platten in Richtung Masse. Trotzdem dauert es etwas, bis wirklich alle der 10.000 Menschen tanzen, die Arme hochreißen, schreien. Der Grund: Das "Privilege" ist einfach sehr, sehr groß.

In der Chill-Out Area geht es mittlerweile hoch her. Denn die "Ibiza-Angels" sind unterwegs. Sie verteilen das, was viele hier brauchen: Massagen. "You pay what you like to", säuselt es verführerisch in viele Ohren. Dann kneten und fummeln die Damen, was das Zeug hält. Und ernten später zehn oder 20 Euro für die Kuschel-Momente. Wer lieber inhaliert kann sich eine Prise "Ibiza Gas" genehmigen. Für fünf Euro kann man sich Lachgas ins Gehirn schießen lassen. Und es zischt munter unter den großen Bäumen.

Dieses Jahr ist alles anders

Gegen 9.30 Uhr wird es langsam Zeit für die mit Spannung erwartete After-Hour, die Nach-Party, die auf Ibiza traditionell am Strand stattfindet. Normalerweise ziehen die Partywütigen, die immer noch nicht genug haben, weiter ans Meer, um dort bis zum Abend weiter zu feiern. Für den großen Eröffnungsabend war ein Cala Bassa vorgesehen, ein Strand nicht weit vom Ort San Antonio. Riesige Boxen stehen dort bereit. Auch DJ Väth ist bereits auf dem Weg.

Doch 2007 ist etwas geschehen auf Ibiza. Die Insel-Regierung scheint ihre Party-Gäste nicht mehr uneingeschränkt zu mögen. Und hat die After-Hour einfach verboten. Das ist seltsam, denn jahrelang steckte man die Euro der europäischen Party-Jugend sehr gerne in die schon vollen Taschen.

Doch dieses Jahr fällt die After-Hour aus; den Clubbern bleibt nichts anderes übrig, als sich in alle Insel-Richtungen zu verstreuen, um privat an den Stränden der Insel weiter zu tanzen. Oder die Partynacht einfach zu beenden.

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