Polen Auf der "Dzialka" ist es am schönsten und am billigsten

Vor 20 Jahren half ein Gärtchen über das Schlimmste hinweg - mit eingekochtem Obst und Gemüse. Nun haben die Polen zwar volle Ladenregale, ein Urlaub, vor allem ein Auslandsurlaub, bleibt jedoch für viele unerschwinglich.

In den Sommermonaten dauert der Weg zur Arbeit länger als üblich für Maciej Przybyl. In aller Frühe küsst er seine Frau Katarzyna zum Abschied, beneidet die friedlich schlafenden Kinder, und macht sich auf den Weg ins Büro. Während er unterwegs ins westpolnische Posen (Poznan) ist, genießt der Rest der Familie das Leben auf der "Dzialka" - den Schrebergarten rund 45 Kilometer vom heimischen Plattenbau entfernt. Zwischen Gemüsebeet und Obstbaum blühen Blumen, die Räder stehen für die nächste Tour zum nahe gelegenen See oder in den Wald bereit. Pilze und Beeren zu suchen gehört für die Przybyls zur Sommerfrische.

Besser als sonst irgendwo

"Wo können wir uns besser erholen als auf der Dzialka?" fragt Mutter Katarzyna, die als Lehrerin zwei Monate Sommerferien genießen kann. "Hier ist es doch besser als sonst irgendwo." Der 8-jährige Michal nickt eifrig, die 17 Jahre alte Martyna verzieht das Gesicht. Für den Teenager fehlt in der Schrebergartenkolonie die Abwechslung, und der Enge in dem winzigen Häuschen, von den Eltern liebevoll renoviert, kann sie auch weniger abgewinnen als noch vor einigen Jahren. Sie freut sich schon darauf, bald mit einer kirchlichen Jugendgruppe für zwei Wochen an die Ostsee fahren zu können.

Ein Volk von Schrebergärtnern

Doch für tausende polnischer Familien ist es auf der Dzialka immer noch am schönsten. Vor 20 Jahren half so ein Gärtchen in den Zeiten schwerer Wirtschaftskrise über das Schlimmste hinweg - mit eingekochtem Obst und Gemüse ließ sich der Mangel leichter bewältigen. Nun haben die Polen zwar volle Ladenregale, ein Urlaub, vor allem ein Auslandsurlaub, bleibt jedoch für viele unerschwinglich. Bei einer Arbeitslosenquote von knapp 18 Prozent ist die Dzialka am besten, weil am billigsten.

Urlaub gern im Lande

Doch auch besser verdienende Polen bleiben gerne innerhalb der Landesgrenzen. "Ich mache nur in Polen Urlaub", betonte Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Lech Walesa in einem Interview. Rund um das heimatliche Danzig locke der Zauber kaschubischer Dörfer und Seen - wozu also in die Ferne schweifen? Leszek Balcerowicz, Nationalbankchef und Vater der polnischen Wirtschaftsreform, zieht es in diesem Sommer auf die Halbinsel Hel. Schauspieler, Politiker und andere Prominente gaben an, den Sommer an der Ostsee, in der Tatra oder an den masurischen Seen zu verbringen.

Angst vor dem Ausland

Während in einer Umfrage des Magazins "Wprost" rund 70 Prozent der Polen mit einem Einkommen von weniger als 1000 Zloty (230 Euro) angaben, die Sommerferien in Polen zu verbringen, galt dies auch für rund 67 Prozent derjenigen, die 3000 Zloty und mehr verdienen. Die polnische Landschaft sei so schön, begründeten rund 35 Prozent. Sie lassen sich auch nicht davon abschrecken, dass die Ostseestrände im Sommer voll sind und sich unter den Gipfelkreuzen in der Hohen Tatra regelrechte Warteschlangen bilden. Ein Zehntel der Befragten will ganz patriotisch die polnische Touristik fördern, für 36,5 Prozent ist der Preis der wichtigste Faktor. Und 3,3 Prozent haben schlicht Angst vor den unbekannten Gefahren im Ausland.

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