Ukraine-Krieg Caritas: "Unsere eigenen Mitarbeiter sind seit Wochen mit Helm und Splitterschutzwesten unterwegs"

Eine alte verdreckte Frau wird von einer Caritas-Mitarbeiterin gestützt und geführt
Raus aus den Trümmern: Caritas international hilft den Menschen auf der Flucht in andere Teile der Ukraine oder ins Ausland
© Caritas Spes / Hersteller
Die Menschen in der Ukraine brauchen unsere Hilfe, daher sammelt die Stiftung stern Geld zur Unterstützung einzelner Organisationen vor Ort – wie der Caritas. Der stern hat mit Dariush Ghobad von Caritas international gesprochen und ihn gefragt, wie die Spenden unserer Leser eingesetzt werden.

Noch immer arbeiten mehr als 1000 Caritas-Mitarbeiter:innen unter schwersten Bedingungen in der Ukraine. Dort sind auch sie selbst und ihre Familien vom Krieg betroffen. Der stern hat mit Dariush Ghobad von Caritas international gesprochen und wollte wissen, wie die aktuelle Lage im Land ist und wofür die Spenden der stern-Leser:innen eingesetzt werden.

Porträt Dariush Ghobad
Dariush Ghobad, Referatsleiter im Referat Öffentlichkeitsarbeit bei Caritas international

© Bente Stachowske / Caritas international

Die Stiftung stern unterstützt ausschließlich Organisationen, die sich vor Ort bestens auskennen. Was zeichnet Caritas international in der Ukraine aus?
Die Caritas Ukraine ist seit vielen Jahren im Land aktiv. Die Arbeit dort wurde 2014/2015 noch einmal verstärkt als es zur Annexion der Krim kam, wir haben damals ein Projekt in der sogenannten Pufferzone errichtet. Dort haben wir uns insbesondere um Kinder und Jugendliche gekümmert. Wir durften in dieser Pufferzone, die 20 Kilometer im Separatistengebiet und 20 Kilometer in der Ukraine lag und von beiden Seiten geduldet wurde, als eine der wenigen Hilfsorganisationen arbeiten. Da mehr als 1000 Mitarbeiter:innen der Caritas Ukraine vor Ort arbeiten, konnten wir das sehr schnell umstellen, als der Krieg am 24. Februar begannen. Das heißt, wir haben eine bestens vernetzte und koordinierte Caritas in der Ukraine – trotz den drei Wochen Ausnahmezustand, die im Land herrschen.

Was wird dort konkret getan?
Vor allen Dingen unterstützen wir die Vertriebenen und Geflüchteten, indem wir die Fluchthilfe innerhalb des Landes organisieren. Dazu gehören Transporte von Menschen, die alleine fliehen und auf Hilfe angewiesen. Wir stellen auch Notunterkünfte zur Verfügung und kinderfreundliche Orte, an denen versucht wird, den Schrecken, der rundherum herrscht, durch konkrete Angebote etwas zu mildern. Wir wollen den Kindern ein bisschen Druck von den Schultern nehmen.

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Wir arbeiten Caritas und Caritas international zusammen?
Wir transportieren in Zusammenarbeit mit der Caritas in Polen und Moldawien seit Wochen Hilfsgüter ins Land. Das heißt, auch von Deutschland werden Hilfsgüter in sogenannte Hubs, also Drehkreuze, gebracht und von dort aus weiter Richtung Lwiw und Richtung Odessa. Das können wir nur deshalb, weil wir erfahrene Kolleg:innen vor Ort haben, die das alles koordinieren.

Befinden sich die ukrainischen Mitarbeiter:innen im ganzen Land verteilt? 
Sie sind über das ganze Land verteilt, aber in den kriegerischen Gebieten musste ein Teil der Arbeit eingestellt werden. Es hat natürlich oberste Priorität, dass wir auch Leib und Leben unserer eigenen Mitarbeiter schützen. Sie sind seit Wochen mit Helm und Splitterschutzwesten unterwegs, aber immer nur einem Gebiet, wo wir es verantworten können.

Was macht Ihren Kolleg:innen vor Ort besonders zu schaffen?
Einerseits, dass man um das eigene Leben jeden Tag neu zittern muss, andererseits auch um das seiner Angehörigen: Ehemänner, Kinder, Omas, Opas. Der Krieg hört ja nicht um 17 Uhr auf, wenn die Arbeit zu Ende ist. Das ist eine enorme Belastung. Was im Moment wieder gut funktioniert, da gab es zwischendurch Probleme, ist, dass wieder Hilfsgüter ins Land kommen. Wir sprechen das mit den staatlichen Stellen gut ab – für Privatinitiativen, die meinen, in die Ukraine fahren zu müssen, ist das definitiv nicht ratsam. Die Versorgungslage ist daher im Moment noch ausreichend, aber natürlich nicht so gut wie vor Ausbruch des Krieges. Was uns Hoffnung macht, ist die große Solidarität und der Zusammenhalt untereinander. Das beobachten wir in der Ukraine selbst, aber auch in den Nachbarländern. Das ist eine positive Sache, die wir jeden Tag erleben dürfen.

Unsere Leser:innen waren immer besonders erschüttert von den Fotos von Kindern und Waisenkindern in Kellern und U-Bahn-Schächten. Viele wollen wissen, was man für diese Kinder tun kann.
Wir sind in Deutschland dabei, das untereinander zu koordinieren. Man kann ja nicht einfach so einen Bus mieten und sagen: Ich hole da jetzt ein Waisenkind ab. Gerade wenn die Kinder bis jetzt in festen Strukturen gelebt haben, kann man sie nicht auseinanderreißen und/oder von ihren Betreuer:innen trennen. Man muss zudem die rechtlichen Fragen in Deutschland klären. Die Hilfe, die die Leser:innen mit der Stiftung stern leisten ist so wertvoll, weil es ja erstmal um die Versorgung von Kindern im Land selbst und in den Nachbarländern geht. Das wird im Moment nicht nur, aber auch durch die Caritas – also auch durch Ihre finanzielle Unterstützung – gewährleistet. Mittelfristig, in zehn bis 14 Tagen, müssen wir auf Bundesebene untereinander Klärung herbeiführen und uns in Deutschland auf die Suche nach Orten machen, an denen man diese Kindergruppen unterbringen kann. Das ist sehr schwierig, sowohl für große Familien als auch für Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung sowie Pflegebedürftige. Das sind alles vulnerable Gruppen, für die es eine besondere Absprache und Sorgfalt geben muss, um den Transport und die Unterbringung hier in Deutschland zu klären.  

Können Sie unseren Leser- und Spender:innen sagen, wofür ihre Spendengelder konkret eingesetzt werden?
Das kann man relativ konkret benennen: Das sind einmal Nahrungsmittel, die wir beschaffen und ins Land liefern, dann die aktive Unterstützung im Land wie psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen, aber auch aller anderen Vertriebenen und Geflüchteten, auch in den Nachbarländern. Das sind unsere größten Schwerpunkte.

Wir sind jeden Tag immer wieder davon überwältigt, welches Hilfsangebot uns hier erreicht. Dass Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Stiftung unter anderem auch unsere Arbeit fördern, ist für uns eine dringend notwendige Unterstützung. Deshalb möchte Ihnen gegenüber, Ihren Leserinnen und Lesern gegenüber meinen aufrichtigen Dank weitergeben! Egal, ob ein Mensch bereit ist 5, 50 oder 500 Euro zu geben, ist völlig egal. Es zählt, eine Art von Haltung zu haben, die zeigt: Wir vergessen die Menschen in Not nicht.

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