Das Essen schmeckt bei ihnen tausendmal besser, schicker angezogen sind sie sowieso, und womöglich haben sie auch noch aufregenderen Sex als wir - das mögen unzulässige Verallgemeinerungen sein, die wir den Franzosen entgegenbringen. Doch in einem Punkt sind uns unsere genussfreudigen Nachbarn wirklich weit voraus: Sie haben die Betreuung ihrer Kinder wesentlich besser geregelt.
Ganztägig sind zwölf Millionen Jungen und Mädchen in den Schulen untergebracht, von acht bis gegen 17 Uhr und manchmal sogar - mit Hausaufgabenaufsicht - bis zum frühen Abend. Mittags bekommen alle ein relativ leckeres Drei-Gänge-Menü mit Hauptspeise, reichlich Käse und süßem Nachtisch; mehr als eine Milliarde Mahlzeiten werden in den Schulkantinen pro Jahr ausgegeben. Viel Freizeit bleibt den Kindern in der Woche allerdings nicht, oft verbringen sie mehr Stunden in den Schulen als ihre Eltern bei der Arbeit. Auch am Samstagmorgen müssen sie zum Unterricht, haben dafür am Mittwoch ihren Sport- und Hobby-Tag.
Die Ganztagsversorgung beginnt in Frankreich in der "crèche", einer staatlich oder privat betriebenen Krippe, die Müttern eine baldige Rückkehr in den Beruf (oder das mittägliche Nickerchen) ermöglicht. Die "crèches" sind kostenpflichtig, je nach Einkommen gibt es Zuschüsse oder gar Kostenerlass. Es folgt die "école maternelle", die Vorschule, die Kindern ab drei Jahren offen steht und von 90 Prozent der jungen Franzosen besucht wird. Die "maternelles", seit mehr als 100 Jahren fester Bestandteil des französischen Erziehungssystems, sind gebührenfrei, nur das Essen kostet - meistens symbolisch ein paar Cent. Diese Familienpolitik trägt Früchte: In der EU hat Frankreich die zweithöchste Geburtenrate.
Ganz ohne Störungen funktioniert das Betreuungsparadies allerdings auch nicht, vor allem wegen der vielen Streiks. Nach der langen Streikwelle im Sommer droht nun auch der Ausstand von Lehrern und Kantinenpersonal, die für eine bessere Altersversorgung kämpfen. Dann werden die Kinder hungrig in der Küche zu Hause stehen. "Wenn das passiert, müssen wir uns völlig neu organisieren", sagt Natacha Guérin-Pedrot aus dem Pariser Vorort Saint-Quen, 36, Beamtin und Mutter von sechs Kindern. Ihre jüngste Tochter ist erst zweieinhalb, ihr Mann Patrick arbeitet ebenfalls den ganzen Tag als Beamter. "Falls es jetzt wieder losgeht, streike ich am besten mit", sagt der Vater, "wenn es sein muss, nehme ich die Kinder eben mit auf die Straße."