stern.de Herr Professor Rürup, die Befürworter des Euro hatten 1997 einen Wachstumschub versprochen ...
Rürup Das waren Blütenträume, die sich bislang nicht erfüllt haben.
Welche Rolle spielt dabei der Realzins, also der Zins abzüglich der Inflationsrate?
Mit dem Übergang zur europäische Währungsunion hat Deutschland seinen Realzins-Vorteil verloren. Für die anderen Länder war die Euro-Einführung dagegen ein Zinssenkungsprogramm. Insofern gingen von der Euro-Einführung für Deutschland Bremswirkungen auf das Wirtschaftswachstum aus.
Zur Person
Bert Rürup (61) ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Darmstadt. Als Experte für Sozialpolitik hat er zwei Reformkommissionen geleitet, die die rot-grüne Regierung ins Leben gerufen hat. Seit 2000 ist er Mitglied im "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" ("Rat der fünf Wirtschaftsweisen"), seit März dieses Jahres ist Rürup Vorsitzender dieses Gremiums.
Durch niedrige Lohnabschlüsse versucht Deutschland seinen Nachteil wettzumachen. Wann geht diese Strategie auf?
Der Realzinseffekt ist ein einmaliger Effekt; die nicht zuletzt als Folge der Lohnzurückhaltung seit längerem niedrige Inflationsrate in Deutschland führt dagegen aus Sicht der deutschen Wirtschaft zu einer realen Abwertung und zwar Jahr für Jahr. Dies verbessert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und hilft, den Export in die anderen Euroländer zu steigern. Leider haben sich die beachtlichen Exportüberschüsse bislang nicht in einem Anziehen der Binnennachfrage niedergeschlagen, was für eine wirkliche Konjunkturbelebung erforderlich wäre.
Ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank für Deutschland zu streng?
Die Geldpolitik der EZB ist für Deutschland vergleichsweise hart. Das ist der Preis der gemeinsamen Währung. Eine europäische Notenbank kann aber keine Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten nehmen.
Macht es Ihnen Sorge, dass die Euroländer wirtschaftlich auseinanderdriften?
Die Wachstumsraten und vor allem die Komponenten, die das Wachstum erzeugen, gehen in den einzelnen Ländern auseinander. Das ist ein Problem.
Sollte die EZB die Zinsen senken?
Die europäische Geldpolitik ist derzeit expansiv. Die Realzinsen sind - auch in Deutschland - historisch niedrig. Andererseits gibt es weit und breit keine akute Inflationsgefahr. Von daher wäre es zu vertreten, angesichts der Nachfrageschwäche in vielen Ländern des Euro-Raumes, die Zinsen zu senken.
Wäre Deutschland heute mit der D-Mark besser dran?
Diese Frage ist schwer zu beantworten und wäre ein schönes Thema für eine Diplomarbeit.