Mit dem Verpachten von Abwasserkanälen, Müllverbrennungsanlagen und U-Bahnnetzen an amerikanische Investoren spülen immer mehr Städte und Gemeinden in ganz Deutschland Millionenbeträge in die leeren Haushaltskassen. Eines der jüngeren - dann aber am Bürgerprotest gescheiterten Projekte: Das Frankfurter U-Bahnnetz sollte verleast werden. Rund 100 Millionen Euro hätte dies ins leere Stadtsäckel spülen sollen. Der scheinbar wundersame Geldsegen beruht beim so genannten Cross-Border-Leasing (CBL) auf einem Steuertrick. Die Einrichtung wird in der Regel für 99 Jahre an die US-Geldgeber verpachtet. Die Kommune bleibt der offizielle Eigentümer und mietet die Infrastruktur von den US-Gesellschaften zurück.
Sorge um Sanierungen
Kritiker befürchten jedoch, dass damit notwendige Sanierungen und Modernisierungen der Anlagen auf der Strecke bleiben. Bei anstehenden Reparaturen müssen die Gemeinden als Betreiber der öffentlichen Netze ab sofort die Zustimmung der Amerikaner einholen, zumindest wenn sie bei der Vertragsgestaltung übervorteilt wurden.
Nach amerikanischem Steuerrecht wird dieser Pachtvertrag so ausgelegt, als sei die öffentliche Einrichtung im Besitz des Investors. Daher kann dieser die Pachtsumme Steuer mindernd geltend machen. Ein Anteil von vier bis fünf Prozent der Pachtsumme - der so genannte Barwertvorteil - geht zurück zum deutschen Vertragspartner. Für beide Seiten entsteht ein lukratives Geschäft. Verlierer ist der amerikanische Staat, der durch solche transatlantischen Verträge weniger Steuern einnimmt.
Nur bei langlebigen Einrichtungen lohnend
Nach Ansicht des CBL-Experten und Geschäftsführers der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Due Finance, Ulrich Eder, lohnt sich das Geschäft nur bei Einrichtungen, denen eine lange Laufzeit vorausgesagt wird. Zwar wird in den meisten Fällen ein Rückkaufrecht nach 25 oder 30 Jahren vereinbart, bis dahin kann die Anlage aber nicht stillgelegt werden. Dies wäre ein Vertragsbruch, bei dem die Kommune Schadenersatz zahlen müsste - etwa das Vierfache der zuvor eingenommenen Summe.
Der Deutsche Städtetag rät den Kommunen, neutrale Berater zur rechtlichen Absicherung der umfangreichen Vertragswerke zu befragen. Insgesamt könnten mit den Geschäften nicht nur die Kommunen, sondern auch die Gebührenzahler finanziell entlastet werden. Verluste hätten nach Erkenntnis von Finanzreferentin Birgit Frischmuth nur jene Städte gemacht, die sich nach monatelangen, kostenintensiven Vorbereitungen gegen das Geschäft entschieden.
Jede Entscheidung absegnen lassen
Dennoch scheiterten bei dem eingangs erwähnten Beispiel die Privatisierungspläne für das Frankfurter U-Bahnnetz. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Oesterling befürchtete Einschränkungen im Handlungsspielraum wegen der geplanten 30-jährigen Laufzeit: "Man stelle sich vor, wir müssten bei jedem Umbau von Rolltreppen, Aufzügen und Läden erst die Zustimmung des Investors einholen". Nötige Streckenänderungen wären noch schwieriger durchzusetzen. "Atmendes Netz" nennt das Eder. Die Freiheit der flexiblen Streckenplanung sei der Knackpunkt für die Sicherheit der Verkehrsnetz-Leasing-Geschäfte. Je detaillierter dies in einem Vertrag festgelegt ist, umso günstiger ist dies für die deutsche Gemeinde. Eder hat unter anderem den nordrhein-westfälischen Städten Essen, Düsseldorf und Dortmund bei Transaktionen mit US-Investoren zur Seite gestanden.
Auch in den neuen Bundesländern sind die CBL-Geschäfte auf dem Vormarsch: Allein in Sachsen fahren die Straßenbahnen von Chemnitz, Leipzig und Zwickau de facto unter amerikanischer Flagge. Chemnitz hat ein Krankenhaus vermietet, Dresden eine Kläranlage und Teile des Kanalnetzes. Kritiker sehen unterdessen noch ein Risiko: Die US-Steuerbehörde beobachte auf der Suche nach Steuerschlupflöchern auch die Leasing-Geschäfte und wolle schärfere Gesetze dagegen einführen. "Eine Gesetzesänderung würde einen Neuabschluss verhindern. Im Hinblick auf bereits abgeschlossene Verträge würde dies aber nicht dazu führen, dass die deutsche Seite vertragsbrüchig wird oder den Barwertvorteil zurück erstatten müsste", relativiert Eder diese Aussagen.