Bauen und Wohnen Maler gesucht!

Grau war gestern. Bauherren und Architekten entdecken die positive Wirkung von Farben. Der stern und die Bausparkasse Schwäbisch Hall prämieren die besten Bauten und Entwürfe.

Die Deutschen haben es gern weiß oder ocker, vielleicht noch altrosa. Andere Farben lassen Hausbesitzer selten auf ihre Fassaden. Woran liegt das? An der Liebe zur Unauffälligkeit? Ist uns gar beim Bauen der Sinn für das Spiel mit Farben verloren gegangen, der die Architektur in Deutschland einmal ausgezeichnet hat? Oder fehlt es schlicht an überzeugenden Vorbildern?

Der stern und die Bausparkasse Schwäbisch Hall meinen, dass unserem Land mehr Farbe gut täte. Gesucht werden Häuser, Wohnsiedlungen, aber auch Gewerbe- und Industriebauten, die sich durch lebendigen Umgang mit Farbe auszeichnen. Mitmachen bei der Aktion "Mehr Farbe wagen" kann jeder - ob Hausbesitzer oder Mieter. Eine Jury wählt gelungene Projekte aus und prämiert sie mit insgesamt 50.000 Euro (siehe Seite 19). Aber worauf kommt es beim Einsatz von Farben an?

Aktion Mehr Farbe wagen - und gewinnen

Der stern und die Bausparkasse Schwäbisch Hall suchen farbige Vorbilder.
Wer kann teilnehmen?

1 Hausbesitzer, Mieter und Baugemeinschaften mit ihren Häusern
2 Architekten, Designer, Studenten mit Entwürfen und Planungen von Wohnbauten und Siedlungen
3 Wohnbaugesellschaften mit neuen Objekten, aber auch renovierten Wohnanlagen
4 Kommunen mit Neubaugebieten und Innenstädten mit Nachkriegsarchitektur sowie mit farblich gestalteten öffentlichen Gebäuden wie Ämtern, Schulen, Krankenhäusern
5 Unternehmen mit Industrie- und Gewerbebauten
Was gibt es zu gewinnen?
In den Kategorien 1 und 2 gibt es jeweils einen 1. Preis von 10 000 Euro, einen 2. Preis von 7500 Euro, einen 3. Preis von 5000 Euro und eine Anerkennung von 1000 Euro.
Für wegweisende Entwürfe von Studenten ist ein Sonderpreis von 3000 Euro ausgelobt.
Die Gewinner der Kategorien 3, 4 und 5 werden von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee ausgezeichnet.
Wie kann man sich beteiligen?
Farbfotos (maximal vier Stück), Planzeichnungen oder Entwürfe (auch digitalisiert auf CD/ DVD) und einen Kurztext (maximal 1000 Zeichen) per Post oder per E-Mail einreichen.
Adresse: sternstadt-forum,
Postfach 1110, 29445 Dannenberg;
oder per Mail (Fotos im jpeg-Format) an:
Farbe.wagen@sternstadt-forum.de
Einsendeschluss: 1. Oktober 2006
Weitere Informationen über den Wettbewerb sowie Hinweise und Tipps im Internet unter www.sternstadt-forum.de "Farbe wagen!"

Heidelberg-Rohrbach, Sickingenstraße. Tankstellen, Teppichlager, Fast-FoodBuden, Auspuffdienst - Niemandsland am Stadtrand, gerade mal fünf Kilometer und doch unendlich entfernt von der Romantik des viel besungenen "Alt-Heidelberg". Hier wurde vor drei Jahren eines der wenigen Neubauviertel in Deutschland mit konsequenter Farbgestaltung errichtet: das Eichendorff-Forum mit 58 Reihenhäusern und zwei Bürogebäuden. Dunkelrot steht hier neben Hellblau, Rosa kühn neben Stahlgrau. Ocker verträgt sich bestens mit diversen Gelbtönen. Und Grün, im heutigen Bauwesen eigentlich ausgestorben, hält lebendige Nachbarschaft mit Weiß.

Uwe Bellm vom Heidelberger Architekturbüro ap88 hat das Eichendorff-Forum und dessen Farbenspiel entworfen. Weiß kam für ihn nicht infrage: "Das wirkt nur richtig mit teurer Architektur." Doch die hätte sich hier nicht verkaufen lassen. Bellm: "Wir brauchten etwas Originelles, um die problematische Wohnlage mit erschwinglichen Mitteln aufzuwerten."

Von seinem Dachgartenstudio im achten Stock eines der beiden Bürohäuser blickt der Architekt hinab auf sein Viertel und erinnert sich an die ersten Gespräche mit dem Investor, einem Hockenheimer Industriellen. Mit dem passenden Farbkonzept könne man auch schlichten Häusern einen Charakter verleihen. Der Investor war sofort Feuer und Flamme - aber nur für Gelb.

Bellm gelang es, dem Bauherrn "die Augen zu öffnen für die wertsteigernden Vorteile einer farbigen Vielfalt, die nicht nur ästhetische Aspekte hat, sondern durch ihre Unverwechselbarkeit zugleich Identität stiftet".

So bekam die Farbe eine Chance. Sie kostete für jedes Haus gerade mal 1000 Euro extra - trotz des hochwertigen Anstrichs, der direkt auf den noch vom Vorstrich nassen Untergrund aufgetragen wird und daher nicht nur intensiver wirkt als schlichte Tünche, sondern auch 20 Jahre lang halten soll.

Bei den künftigen Bewohnern hatte Farbenfreund Bellm intensive Aufklärungsarbeit betrieben. Denn das Eichendorff-Forum sollte auch ein soziales Signal setzen: "Mit Farbe wohnt und lebt es sich menschlicher." Inzwischen möchte von den 300 Eichendörfflern niemand mehr farblos leben: "Das wäre wie ein sozialer Abstieg", sagt Annette Albrecht. Stolz berichtet die Verlagsangestellte von Besuchern, die "uns um die farbige Wohlfühlatmosphäre im Viertel beneiden".

Friedrich Ernst von Garnier, 70, ist einer der wenigen Farbgestalter im deutschen Bauwesen. Der Experte weiß, dass es nicht damit getan ist, Häuser nur bunt anzustreichen. "Voraussetzung für eine gelungene farbige Gestaltung ist Rücksichtnahme auf die Form des Hauses, auf seine Bestimmung und seine Umgebung."

Für die Sanierung einer Plattenbausiedlung in Gera bekam von Garnier 2003 den deutschen Fassadenpreis: Er hatte das trostlose DDR-Rotbraun nicht triumphierend fett überstrichen, sondern verhalf dem sozialistischen Waschbeton mit einer besonderen Technik zu einem malerischen Aussehen.

Pionier des

farbigen Bauens in Deutschland war der Architekt Bruno Taut (1880 - 1938). Er hinterließ vor allem in Berlin Häuser und Siedlungen, die ihm wegen ihrer völlig neuen farblichen Gestaltung weltweite Anerkennung einbrachten - außer bei den Nazis. Blaue Häuser mit kastanienroten Elementen standen in offenem Widerspruch zur anbefohlenen Uniformität völkischen Wesens. Als Taut ein "Ausverkauf der deutschen Seele" vorgeworfen wurde, floh er in die Türkei und nach Japan. Dort wird er bis heute hoch verehrt. Darum pilgern viele Japaner in die Gartenstadt Falkenberg in Berlin-Grünau, entstanden zwischen 1913 und 1916, die als eines der wichtigsten Frühwerke von Bruno Taut Krieg und DDR-Verfall überlebt hat.

Für Architekt Bellm ist ein Missverständnis schuld an der "Weiß-Fixierung unserer Nachkriegsarchitektur": "Sie beruft sich auf die Bauhaus-Meister und übersieht dabei, dass deren Bewegung farbig begann und die berühmten weißen Meister-Häuser in Dessau nur ein Teil der Bauhaus-Philosophie sind."

Der Tübinger Öko-Architekt Joachim Eble hat die Bauhaus-Farben in der von ihm entworfenen "Arkadien"-Siedlung bei Ludwigsburg aufgegriffen. Das Farbkonzept ist abgestimmt auf die Bedingungen am Standort der Häuser wie Lichteinfall, Himmelsrichtung, Vegetation und Tönung des Nachbargebäudes. Zugleich dient die Farbgestaltung als Orientierungssystem. Verdrängt, so Joachim Eble, wurde auch eine andere Weisheit der Bauhaus-Meister: "Farbe ist das preiswerteste und effektivste Gestaltungsmittel im Städtebau."

print
Norbert Thomas