Immobilienfonds Grau ist der Ruin

Tausende Kleinsparer haben am grauen Kapitalmarkt Beteiligungen an Immobilien gekauft. Kunden der Falk-Gruppe zittern jetzt um ihr Geld.

Es sollte etwas Solides, Wertbeständiges sein - etwas fürs Alter. Eine Geldanlage in Immobilien erschien der Familie Melzer* genau richtig. "Nach der Aktienkatastrophe und dem Ostimmobiliendesaster kamen für uns nur Immobilien im Westen infrage", sagt Frau Melzer. Ein Heilbronner Finanzberater, empfohlen von Melzers Steuerfachmann, riet zu einem Fonds des Münchner Unternehmens Falk Capital AG. Der Fonds mit der Nummer 75 investierte in sechs Büro- und Gewerbeimmobilien. Melzers, nicht unbedarft oder leichtgläubig, forschten selbst nach und fanden "in Medien nur Gutes" über Falk. Was konnte da schon schief gehen? Und wenn sich damit auch noch Steuern sparen ließen, umso besser. Ende 2001 haben die Melzers die Verträge unterschrieben und legten 50000 Euro an. Heute wissen sie nicht, ob sie ihr Geld je wiedersehen werden.

Die Falk-Gruppe ist pleite. Möglicher Schaden: rund drei Milliarden Euro. Betroffen sind schätzungsweise 30000 Anleger, überwiegend private Kleinsparer.

Gelockt wurden sie

nicht in ein einfaches Immobilien-Investment, sondern in eine Anlage auf dem so genannten grauen Kapitalmarkt. Hier werden hochkomplizierte Unternehmensbeteiligungen, die keiner staatlichen Überwachung unterliegen, gehandelt. Ein Milliarden-Markt, in dem sich windige Geschäftemacher tummeln, die immer erst dann für Schlagzeilen sorgen, wenn es für gutgläubige Anleger zu spät ist.

Helmut W. Falk, Gründer, Chef und Namensgeber der Falk Capital AG aus München, galt als der Saubermann seiner Zunft, seit über 20 Jahren am Markt. Die Fachpresse urteilte fast ausschließlich positiv. Unabhängige Bewertungsfirmen, "Rating-Agenturen", verteilten viel Lob für die insgesamt 80 Falk-Fonds. Tenor: kein Verzettler, kein Mauschler, kein Gauner. Falks rechte Hand, Chefverkäufer Thomas Engels, wurde im November 2003 vom Geldanlage-Blatt "Cash." sogar als "Man of the Year" ausgezeichnet. Die Begründung dürfte in den Ohren von Falk-Kunden heute wie Hohn klingen: Engels habe als Vorsitzender des Verbandes Geschlossener Immobilienfonds "in puncto Markttransparenz und verbessertem Anlegerschutz Maßstäbe gesetzt".

Dabei war bei Falk intern bereits Ende 2003 die Pleite einiger Fonds absehbar. Die Münchner Wirtschaftsprüfungsfirma AWT Horwath hatte in der Bilanz für das Jahr 2003 bei der Objektgesellschaft Falk-Modecenter Langenhagen "Tatsachen festgestellt, welche die Entwicklung der Gesellschaft wesentlich beeinträchtigen oder ihren Bestand gefährden können". Die Wirtschaftsprüfer warnten vor "Mietausfällen in erheblichem Umfang" auch für das Jahr 2004. Und sie informierten die Falk-Bosse "vorsorglich" auch über deren Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

Kein Wort davon gelangte zu den Anlegern und auch nicht in die "Man of the Year"-Laudatio für Falk-Chefverkäufer Thomas Engels, die ein Fachjournalist von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hielt. Andere Falk-Fonds, wie etwa der mit der Nummer 80 sowie der Falk-Zinsfonds, wurden weiter unter die Leute gebracht. 58 Millionen Euro pumpten rund 3000 Anleger seit März 2003 in den Zinsfonds. Er wurde allein zur Finanzierung anderer Falk-Fonds aufgelegt, die von Banken kein Geld mehr bekamen. In den Prospekten las man trotzdem: "Der Falk-Zinsfonds bietet hohe Rendite bei kurzer Laufzeit." Geworben wurde mit "acht Prozent geplante Ausschüttung". Das Anlegerinteresse war enorm. "Die erste Tranche in Höhe von zehn Millionen Euro war bereits nach vier Wochen platziert", brüstete sich Thomas Engels.

Was die Anleger übersahen: Für ihr Geld, das an die Falk-Fonds verliehen wurde, erhielten sie keinerlei Sicherheiten. Rechtsanwalt Peter Mattil aus München, der rund 100 Falk-Geschädigte vertritt, sagt: "Die Vermittler hätten anhand des Prospektes sehen müssen, dass die Anleger keine Grundpfandrechte bekommen sollten. Dennoch wurde der Fonds als sichere Anlage angepriesen."

Auch Richard Braun* ließ sich von den hohen Renditeversprechungen locken. Mehr als 200000 Euro hat der Schwabe in den Zinsfonds investiert, auch Erspartes für seine beiden Kinder und Geld seiner Schwiegereltern, die davon bis heute nichts wissen. Als die angekündigten Zinszahlungen ausblieben, kündigte Braun im September 2004 seine Beteiligung. Die Kündigungsbestätigung von Falk erhielt er mit Datum vom 6. Oktober - unterschrieben von Vorstand Thilo Köhler. Von seinem Geld aber hat er bis heute nichts gesehen. "Man hat mich belogen", sagt Braun.

Auch 26 Banken, die Falk hohe Kredite gaben, fürchten um ihr Geld. Insgesamt ist von rund 1,4 Milliarden Euro Schulden die Rede. Den größten Brocken, mehr als 300 Millionen Euro, hat die DZ Bank, Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken, zu verdauen. Es folgen die BHW-Tochter AHBR, die Hypo-Vereinsbank, die Euro Hypo und die Landesbank Hessen-Thüringen mit jeweils mehr als 100 Millionen Euro Falk-Krediten.

Anfang April haben die kreditgebenden Banken zusammen mit den Verantwortlichen von Falk getagt. Ergebnis: Sämtliche Fonds werden einzeln auf den Prüfstand gestellt, um zu sehen, welche Immobilien noch werthaltig sind. Dann entscheiden die Banken, ob die Fonds noch zu retten sind - indem die Institute auf Forderungen verzichten und auch die Anleger ihren Part dazu beitragen. Rechtsanwalt Roland Fritzen aus Siegburg fürchtet, "dass sich die Anleger auf Nachschuss-Pflichten einstellen müssen". Möglicherweise werden die Banken beim Schuldeneintreiben auch auf das Privatvermögen der Fondsbeteiligten zugreifen.

Dieses Horrorszenario könnte für jene Anleger Wirklichkeit werden, die sich an einer der Falk-Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt haben. Hier haften die Beteiligten auch mit ihrem Privatvermögen - im Extremfall bis zum letzten Hemd. Zum Beispiel für Bankschulden ihres Fonds.

Die ersten Anleger werden bereits zur Kasse gebeten. Robert Landau× aus München zahlte 1991 75000 Euro in den GbR-Fonds 42 ein, der 27 Altbauwohnungen in Berlin-Schöneberg erwarb. Im Februar 2005 erhielt Landau Post von der Commerzbank, die 1,5 Millionen Euro Kredit an den Fonds vergeben hatte. Die Frist zur Rückführung der bestehenden Forderungen der Commerzbank sei erfolglos abgelaufen, heißt es darin. "Wir nehmen Sie daher als Gesellschafter des Falk-Fonds 42 (...) nunmehr persönlich in Anspruch." 18 972,58 Euro stellt die Commerzbank Robert Landau für anstehende Kreditschulden als Gesellschafter in Rechnung. Sollte er die gesetzte Frist vom 31. März 2005 verstreichen lassen, "behalten wir uns die Vollstreckung in Ihr persönliches Vermögen (...) vor".

"Das ist ein Fass ohne Boden", schimpft Landau. "Von meinem eingezahlten Geld habe ich bis heute nichts wiedergesehen, und jetzt schröpfen einen noch die Banken."

Gut zu wissen

Anlegerrecht

Prospekthaftung Waren Angaben in Kapitalanlage-Prospekten falsch, bewusst geschönt, unvollständig oder wurden unrealistische/falsche Versprechungen gemacht, können Anleger unter Umständen gegen den Prospektherausgeber klagen.
Berater-/Vermittlerhaftung Verkäufer einer Geldanlage müssen unverzüglich über sämtliche damit verbundenen Risiken vollständig aufklären, also auch über die wirtschaftliche Lage des Prospektherausgebers, soweit diese aus Medien sowie den eigenen Veröffentlichungen des Heraus-gebers bekannt sind. Geschah dies nicht, können Kunden gegen Verkäufer klagen.
Kreditbanken-Haftung Wurde ein Kreditvertrag zur Finanzierung eines Fondsanteils als "verbundenes Geschäft" von Immobilien(-fonds)vermittler und Bank abgeschlossen, kann der Vertrag unter bestimmten Umständen rückabgewickelt werden. Ein verbundenes Geschäft kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Vertrag ein "Haustürgeschäft" war (geschlossen zu Hause oder am Arbeitsplatz). Chancen auf Rückabwicklung gibt es zudem, wenn sich Vermittler und finanzierende Bank als eine gemeinsam handelnde Einheit dargestellt haben.
Rechtsschutz Typischerweise muss die Rechtsschutzversicherung Klagen gegen Vermittler von Geldanlagen decken. Im Fall Falk hat vor kurzem die Badische Rechtsschutzversicherung AG ihre Einstandspflicht vor Gericht anerkannt (LG Karlsruhe, Az.: 2 O 60/05).

Familie Melzer dürfte das wohl erspart bleiben. Der Falk-Fonds 75, in den sie investierte, hat die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Das heißt, die Melzers haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage von 50000 Euro. Da sie diese Summe größtenteils per Kredit finanzierten - "nur so, wurde uns vorgerechnet, seien die Steuervorteile üppig", sagt Frau Melzer -, haben sie die Chance auf Rückabwicklung des Vertrages. Den Darlehensvertrag mit der BHW Bank hatte der Berater unterschriftsreif parat - ohne dass Melzers je mit einem BHW-Vertreter Kontakt hatten. Derartige Geschäfte können aber unzulässig sein (siehe nebenstehenden Kasten).

Einen besseren Schutz vor den Tricks der schwarzen Schafe auf dem grauen Kapitalmarkt können die Anleger auch in Zukunft nicht erwarten. Zwar tritt am 1. Juli das neue Anlegerschutzverbesserungsgesetz in Kraft. Dann müssen die Fonds-Initiatoren ihre Prospekte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einreichen. "Doch die prüfen nur rein formelle Dinge", sagt Rechtsanwalt Mattil. "Ob aber die Angaben zur Renditeberechnung überhaupt haltbar oder nur leere Versprechungen sind, wird vom BaFin nicht kontrolliert." Vor Tricks sind die Anleger damit nicht gefeit - das neue Gesetz ist nicht mehr als ein Papiertiger.

Volker Pietsch, Leiter des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS) in Berlin, sieht eine weitere Lücke. "Die persönliche Haftung der Vorstände ist beim Gesetzgeber durch den Rost gefallen. Die Lobby hat sich durchgesetzt, und die Regierung ist eingeknickt. Müssten die Manager mit ihrem Privatvermögen haften, hätte das eine abschreckende Wirkung. Deutschland bleibt Eldorado für Kapitalanlagebetrüger."

*Name von der Redaktion geändert

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Frank Donovitz/Joachim Reuter

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