Horst Leiner, Elektrotechniker im hessischen Leun, staunte nicht schlecht, als ihm die T-Com Rechnung vom April 2007 ins Haus flatterte. Das Dokument, das stern.de vorliegt, weist einen exorbitanten Rechnungsbetrag aus: 2808,82 Euro. Natürlich nicht ohne den freundlichen Hinweis, dass diese Summe innerhalb von sieben Tagen von Leiners Konto abgebucht werden würde. Was nun?
Dass die Rechnung falsch ist, war für Leiner sofort zu erkennen. Denn unter den monatlichen Grundgebühren ist "Überlassung Call & Surf Comfort" gelistet, ein schneller Internetzugang, mit dem der Kunde unbegrenzt surfen kann. Leiner hatte sich den Zugang kurz zuvor einrichten lassen. Insofern konnte der Rechnungsposten "Breitband-Nutzung/Nutzung über Freivolumen" in Höhe von 2351,97 Euro netto nicht korrekt sein.
Leiner tat, was Kunden in so einem Fall tun: Er beschwerte sich. Und es geschah, was in so einem Fall offenbar häufiger geschieht. Horst Leiner: "Einspruch, Telefon, Einschreiben - keine Chance - Betrag wird abgebucht!"
Berlemann will Service aufmöbeln
Leiner ist einer der 114 Leser, die sich auf die stern.de-Umfrage zur Telekom gemeldet haben. Der Großteil der Mails erreichte die Redaktion innerhalb der ersten Stunden - stern.de musste die Umfrage rasch im Angebot verstecken, um nicht unter Zuschriften begraben zu werden. Aufgeschreckt von der Aktion meldete sich auch die Telekom selbst und lud zu einem Gespräch mit dem neuen Chef des Kundenservice, Vorstandsmitglied Thomas Berlemann. Er räumte Fehler ein und gab zugleich ein Ziel vor: "Wir wollen den besten Service der Telekommunikationsbranche liefern."
Wie extrem ehrgeizig, wenn nicht utopisch dieses Ziel ist, lässt sich in den teils mehrseitigen Zuschriften der stern.de-Leser nachlesen. Immer wieder ist von fehlerhaften Rechnungen, unerledigten Aufträgen, grundlos gesperrten Anschlüssen und zähen Debatten mit Callcenter-Mitarbeitern die Rede. Rowena Schein, 40, Kauffrau der Landesbank Hessen-Thüringen, versuchte es über den Internet-Service der Telekom, als sich am 28. April ihr Telefon und kurz darauf auch ihr DSL-Anschluss verabschiedete. Sie gab mehrere Störmeldungen auf, so genannte "Tickets". Das erste gleich am 28. April um 16.22 Uhr, wie die Kopie ausweist. Die freundliche Rückmeldung der Telekom einige Tage später "Wir haben ihre Störung beseitigt. Die Störungsmeldung ist behoben."
Tatsächlich war die Leitung immer noch tot. Also gab die Bankerin weitere Tickets auf und bekam weitere Antworten. Mal hieß es "Wir haben ihre Störung beseitigt", dann wieder "Ein Außendienstmitarbeiter wurde mit der Endstörung beauftragt". Geradezu sarkastisch liest sich eine Rückmeldung, die nun schon auf den 12. Juni datiert: "Wir haben ihre Störungsmeldung wie gewünscht storniert." Währenddessen wünschte sich Rowena Schein immer noch nichts sehnlicher als ein funktionierendes Telefon. Aber dieser Wunsch erwies sich bis Ende Juni als unerfüllbar.
Rechnungsversand funktioniert immer
Dass die Telekom ein massives Problem mit dem Service hat, ist nicht neu, fällt aber immer stärker ins Gewicht. Denn seitdem der Telekommunikationsmarkt liberalisiert ist, hängen dem einstigen Monopolisten die Wettbewerber an den Fersen. Nun gilt es, Kunden glücklich zu machen, um deren Abwanderung zumindest zu verlangsamen. Doch die jüngsten Ergebnisse des Meinungsforschungsinstitutes "Service Barometer", das seit zehn Jahren Daten zur Kundenzufriedenheit erhebt, sehen düster aus: Demnach hat die Telekom eine Beschwerdequote, die über dem Branchenschnitt liegt. 38 Prozent der Kunden gaben 2006 an, sie seien mit den Leistungen der Telekom vollkommen oder sehr zufrieden, 55 Prozent waren zufrieden, sieben Prozent weniger zufrieden. Wie Projektmanager Matthias Metje von der Service Barometer AG sagt, gelten auch die zufriedenen Kunden als Wackelkandidaten - sie könnten bei einem besseren Angebot abspringen. Zu den Ursachen der Telekom-Misere sagt Metje: "Der Wettbewerb ist sehr hart, viele Unternehmen bringen Produkte auf den Markt, die nicht ausreichend getestet sind. Mag sein, dass es in Hamburg funktioniert, aber in Bremen geht’s schon nicht mehr." Nur der Rechnungsversand scheint immer und überall zu funktionieren.
Gewinner des Spiels sind eindeutig die Verbraucherzentralen. "Unsere Sprechstunden sind immer voll", sagt André Malitzki, Rechtsberater der Verbraucherzentrale Hamburg. Zu ihm kommen jene, die im Wust der Faxe, Anrufe und Mails mental gestrandet sind. "Man hat das Gefühl, dass ein vollkommen klar auf der Hand liegendes Problem von der Telekom nicht verstanden wird - oder nicht verstanden werden will", sagt Malitzki. Zum Beispiel käme es häufig zu Schwierigkeiten, wenn ein Telekom-Kunde den Anbieter wechseln will. "Ich meine, dass die Telekom keinen besonderen Ehrgeiz entwickelt, was die Umschaltung betrifft". Malitzkis Sympathie für die Wettbewerber hält sich allerdings auch in Grenzen. "In Sachen Kundenservice geben die sich alle nicht viel."
Telekom 16 Mal umorganisiert
Die Service-Probleme bei der Telekom sind hausgemacht: "Die Telekom ist 16 mal komplett umorganisiert worden", stöhnt Martin Kordatis-Wolff, Verdi-Funktionär in Düsseldorf, der den Telekom-Streik im Mai mitorganisiert hat. "Niemand hat für Kontinuität gesorgt, für stabile Arbeitsabläufe." Mit der Auslagerung der Service-Mitarbeiter, die nun länger arbeiten und weniger verdienen sollen, sieht Kordatis Wolff noch schlechtere Zeiten aufziehen. "Das ist das Gegenteil von einer Verbesserung der Service-Qualität."
Eine gewaltige Aufgabe für Thomas Berlemann, den neuen Chef des gesamten Kundenservice der Telekom. Er muss die Mitarbeiter neu motivieren (trotz sinkender Löhne), die unterschiedlichen EDV-Systeme der alten Telekom-Einheiten harmonisieren, die Abläufe in den Callcentern und die Koordination mit den Technikern vor Ort verbessern. Telekom-Vorstandschef René Obermann hat den Service auf die Firmenfahne geschrieben und die Fahne Berlemann in die Hand gedrückt. Zuversicht zu kommunizieren, ist in dieser Situation oberste Managerpflicht. Berlemann: "Ich habe den Bereich Service bei T-Mobile drei Jahre verantwortet - und da ist es mir und meinem Team gelungen, den besten Service der Mobilfunkbranche zu entwickeln. Ich bin optimistisch, dass wir das auch für den Gesamtkonzern schaffen."
In Sachen stern.de hat Berlemann gezeigt, dass er seinen Job sehr ernst nimmt: Die Fälle, die ihm die Redaktion bisher vorgelegt hat, wurden sofort bearbeitet. Zur 2808-Euro-Rechnung von Horst Leiner sagte Berlemann: "Ich habe mir den Fall sehr genau angesehen: Der Kunde hat einen Tarifwechsel vorgenommen - von einem volumenbasierten Tarif bei T-Online zu einer Flatrate bei der T-Com. Und da ist ein Arbeitsfehler passiert, der dazu geführt hat, dass hier nicht korrekt abgerechnet wurde." Auch für die Unnahmlichkeiten von Rowena Schein hat Berlemann eine Erklärung: "Hier muss ich gestehen, dass durch den Streik manche Themen nicht so rund gelaufen sind wie sonst. Wir werden uns entsprechend kulant zeigen." Darüber hinaus versprach Berlemann allen stern.de-Lesern, die sich an der Umfrage beteiligt und Beschwerden vorgetragen haben, schnell zu helfen. Ein Mann, ein Wort - in einigen Wochen wird die stern.de-Redaktion bei den Lesern nachfragen, was passiert ist.
So geht's auch: keine Rechnung
Was nicht verschwiegen werden soll: Es gab unter den 114 Mails insgesamt 25, die sich sehr lobend über die Telekom äußerten - weil der Service in ihren Fällen bestens funktioniert hat. Und es gibt zumindest eine Geschichte, die zeigt, dass sich Komplikationen auch mal zum Vorteil des Kunden entwickeln können.
Ein Leser unter dem Pseudonym "schneeflocke" schrieb:
"Eines Tages hat die Telekom aufgehört, mir Rechnungen zu schicken. Natürlich habe ich das reklamiert, und ich habe mich auch insgesamt dreimal von der allgemeinen Hotline bis in das Backoffice meiner Stadt durchtelefoniert. Jedes Mal hat man mir versichert, dass ein Fehler im System vorläge, der nun behoben würde - passiert ist nichts.
Nach einem halben Jahr bin ich umgezogen und habe den Anschluss gekündigt. Seitdem ist nie wieder was von dem Magentariesen gekommen. Hätte ich das vorher gewusst ..."