Die Allianz hat gestern ein Geschäftsabenteuer names "Allfinanz" oder auch "Bankassurance" beendet, das etwas zusammenzuführen sollte, was noch nie zusammen gepasst hat: Eine Versicherung und eine Geschäftsbank. Zu unterschiedlich ist der Takt, in dem die Herzen der Produktmacher schlagen. Die Mathematiker einer Versicherung rechnen langfristig, versprechen "Schutz vor Risiken", machen Geschäft mit der Angst der Kunden. Die Mathematiker einer Bank hingegen, zumal mit einem Arm, der sich um das Investmentbanking kümmert, rechnen minütlich ab, locken mit der "Chance auf mehr", machen Geschäft mit der Gier der Kunden. Hier die flinken Gebührendreher, dort die Könige der Bestandsprovision. Angst- und Gier-Experten unter einem Dach? An einem Strang? Illusorisch.
Aufgescheuchte Bankenszene rettet Allianz
Lapidar gesagt funktionierten zwei Dinge nicht wie erhofft: Das Investmentbanking namens Dresdner Kleinwort erwies sich als unverkäuflich, mitunter auch verlustreich. Und im Privatkundenbanking hielt sich die Lust der Dresdner-Berater, in größerem Stil Versicherungen zu verkaufen oder auch nur auf den Allianz-Katzentisch in der Filiale zu verweisen, in Grenzen. Mehr Glück als eigenes Zutun rettet nun die Allianz aus dem Dresdner-Debakel: vor allem eine krisenbedingt aufgescheuchte Bankenszene, bereit, einiges zu riskieren, um den eigenen Hals zu retten oder auch nur zu schützen; darunter auch die Commerzbank. Und so wird die Allianz ihre ursprünglichen Ziele im Heimatmarkt Deutschland wohl doch noch erreichen: Sie ist größter Versicherer und größter Vermögensverwalter, bei Investmentfonds mit der Cominvest nunmehr unter den Top-3 bei Privatkunden. Und sie kann beides über Bankschalter verkaufen, nämlich über die Fusionsreste der "neuen" Commerzbank. Die Masse der Kunden wird von alledem zunächst nichts merken.
Irgendwann werden die Dresdner-Kunden und vielleicht auch einige Commerz-Altkunden einen nett formulierten Massenbrief erhalten, in dem ihnen die dann neu zuständige Filale in ihrer Nähe ans Herz gelegt wird, verbunden mit der herzlichen Einladung, doch mal vorbei zu schauen. Vielleicht wird in dem Schrieb sogar ein neuer (oder alter) "persönlicher Berater" genannt. Dessen Sortiment wird sich inhaltlich aber nicht verändert haben. Nur, dass dann überwiegend das blau-weiße Etikett "Allianz" draufklebt, zumindest auf allen erdenklichen Versicherungen, Bauspar-, Vorsorge- und Investmentfonds-Angeboten. Derzeit setzt die Allianz ganz massiv auf Tierkrankenversicherungen - ja wirklich, kein Witz. Von deren volks- und einzelwirtschaftlichem Nutzen nicht allzuweit entfernt sind die allermeisten Anlage-Zertifikate, die die Commerzbank gleich tausendfach wohl weiterhin selbst fabrizieren dürfte. Ebenso ihre Zins- und Gebührenkonditionen für Kredite und Konten.
Mindestens 9000 Jobs bedroht
Und so bedeutet "Allfinanz" für Kunden auch künftig, möglichst elegant und schmerzfrei an eine Geld-Melkmaschine angeschlossen zu werden. Deren Abpumpdruck können Verbraucher nur durch mehr Finanzwissen verringern - damit muss man leben. Die Allianz, genauer deren Aktionäre, kostet die Aktion unter dem Strich wohl ein paar Milliarden Euro. Für die Dresdner Bank hatte man einst immerhin mehr als 20 Milliarden hingeblättert. Jetzt gibt es zehn zurück. Plus eine Fondsfirma. Plus Aktien an der "neuen" Commerzbank. Plus weitreichende Vertriebsvereinbarung. Damit lässt sich leben.
Das Abenteuer "Allfinanz" kostet aber auch mindestens 9000 Menschen den Job. Plus diejenigen, die die Dresdner als Allianz-Eigentum bereits in den vergangenen Jahren abgebaut hat. Mitarbeiter bluten für Managementfehler. Mal bei Siemens (BenQ), mal bei Arcandor (Wehmeyer, Hertie, Sinn-Leffers), und jetzt auch bei der Allianz (Dresdner). Damit müssen Manager leben, honorige Herren wie Heinrich von Pierer, vormals Siemens-Chef, Thomas Middelhoff Arcandor-Chef, und auch Henning Schulte-Noelle, ehemals Allianz-Chef und nun Vorsitzender des Aufsichtsrats des Konzerns.