Knapp ein Jahr ist es her, da konnte sich Karl-Heinz Lauer noch freuen. Für seine Dienste als Versandleiter der Firma Kadus überwies ihm die Geschäftsführung eine Erfolgsprämie von 253 Euro. Das Geld konnte er gut gebrauchen: Er hat zwei Töchter in der Ausbildung, und sein Haus ist noch lange nicht abbezahlt. Mit ihm freuten sich alle 270 Angestellten des Betriebs, der im Schwarzwaldstädtchen Lenzkirch Haargel, Shampoo und Haarfärbemittel herstellt und zum Kosmetikkonzern Wella gehört.
Bei allen bedankte sich die Firmenleitung "für das wiederum sehr erfolgreiche Jahr 2003". Die Umsatzrendite war mit zwölf Prozent sehr gut. Der Export boomte: In 61 Länder wurden die Produkte verkauft, die Zuwachsraten waren teilweise zweistellig. Während außerhalb des 3200-Seelen-Ortes die Weltwirtschaft kriselte, lebte man in Lenzkirch in einer vermeintlich heilen Welt. "Die vier Arbeitslosen in unserem Dorf kennen wir doch alle persönlich", witzelte man im Ort. Dann kam Procter & Gamble.
Im Juni vergangenen Jahres schluckte der US-Kosmetik-Multi (Pampers, Meister Proper, Tempo) Wella für 5,6 Milliarden Euro. Auch Kadus gehörte nun zum Global Player. Karl-Heinz Lauer hatte zum ersten Mal in seinen 36 Berufsjahren "ein mulmiges Gefühl". Andererseits: Was sollte passieren? "Wir fuhren ja sogar Sonderschichten, so gut lief bei uns das Geschäft." Drei Wochen nach der Übernahme durch Procter & Gamble teilte man Lauer, damals Betriebsratsvorsitzender, in der Wella-Zentrale in Darmstadt mit: "Wir machen euch dicht." Dem Management waren zwölf Prozent Rendite nicht genug. "Die Aktionäre", sagt Lauer, "erwarteten 18 Prozent." An einem anderen Standort könne man diese Marge erzielen: Kadus soll zur Marke degradiert werden.
"6,5 Milliarden Dollar Gewinn reichten dem Konzern offenbar nicht", sagt Lauer. Demonstrationen, Solidaritätskonzerte und ein Scheiterhaufen mit Procter-Produkten konnten die Manager im fernen Ohio nicht umstimmen. Ende 2004 erhielten die meisten Mitarbeiter ihre Kündigung zum 1. März. Auch die 37-jährige Vertriebsmitarbeiterin Antonella Fleps. Von März an wird sie zwölf Monate lang Geld von einer Auffanggesellschaft erhalten, 60 Prozent vom Staat. "So lässt sich das Management die Zerschlagung unserer Firma auch noch von Steuergeldern bezahlen." Lauer hat resigniert. "Ich bin jetzt 51 Jahre alt. Was glauben Sie, was ich noch für Chancen habe?"