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Angriff auf Gautam Adani Wie ein Spekulant den reichsten Mann Indiens viele Milliarden kostet

Multi-Milliardär Gautam Adani ist eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg Indiens verknüpft
Multi-Milliardär Gautam Adani ist eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg Indiens verknüpft
© INDRANIL MUKHERJEE / AFP
Gautam Adani wurde dank eines undurchsichtigen Konglomerats zum drittreichsten Mann der Welt. Nun sieht er sich schweren Vorwürfen eines Shortsellers ausgesetzt. Zu Recht?
Von Victoria Robertz

Gautam Adani ist der drittreichste Mann der Welt – noch. Denn sein weitgehend auf Firmenbeteiligungen basierendes Vermögen belief sich laut Schätzungen des Forbes-Magazins bis vor gut einer Woche auf 120 Milliarden US-Dollar, mittlerweile sind es nur noch 70 Milliarden Dollar. Dass der Wert seines Unternehmensimperiums so schnell einbrechen konnte, liegt an Vorwürfen des US-Shortsellers Hindenburg Research.

Das 2017 in New York gegründete Unternehmen recherchierte zwei Jahre lang zur Adani-Gruppe und beschuldigt sie jetzt, den "größten Betrug der Unternehmensgeschichte" zu begehen. Konkret lautet die Anschuldigung, Adani habe jahrzehntelang "ein dreistes System der Aktienmanipulation und des Bilanzbetrugs betrieben". Über Verwandte habe Adani Offshore-Briefkastenunternehmen genutzt, um unter anderem in der Karibik Geld zu waschen. Das habe den Aktienkurs und damit die Bewertungen der Unternehmensgruppe nach oben getrieben. Bis zu 85 Prozent der Anteile seien demnach überbewertet. 

Bericht lässt Kurse einbrechen

Die Adani-Gruppe selbst wies bereits vergangene Woche alle Anschuldigungen zurück und erklärte, "in Übereinstimmung mit allen Gesetzen" gehandelt zu haben. Adani-Finanzchef Jugeshinder Singh bezeichnete die Behauptungen Hindenburgs laut "Financial Times" als eine "bösartige Kombination aus selektiven Fehlinformationen und veralteten, unbegründeten und diskreditierten Behauptungen". Man werde rechtliche Schritte gegen Hindenburg einleiten.

In einer am Wochenende veröffentlichten Gegendarstellung des Unternehmens hieß es außerdem, der Bericht beruhe nicht auf unabhängigen Fakten, habe aber "ernsthafte und beispiellose negative Auswirkungen auf unsere Investoren" verursacht.

Das zeigte sich nicht nur in der bis Freitag um 50 Milliarden US-Dollar gesunkenen Marktkapitalisierung des Unternehmens insgesamt. Zu Beginn der Woche fielen die Aktienkurse der sieben börsennotierten Unternehmen der Adani-Gruppe weiter. Adani Green Energy erlitt einen Einbruch um mehr als 18 Prozent, auch Adani Transmission und Adani Total Gas verloren.

Dass die riesige Adani-Gruppe ins Taumeln geraten ist, hat auch Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte Indiens. So fielen die Aktienkurse der an Adani beteiligten indischen Banken und Versicherungen vergangene Woche ebenfalls. Vor allem aber ist das Konglomerat führender Arbeitgeber und Steuerzahler in Indien. Als eine der größten privaten Infrastrukturgruppen des Landes ist Adani in verschiedensten Bereichen tätig. Sie betreibt Häfen, Flughäfen, Bergbaufelder und Kohlekraftwerke. Dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi steht Adani seit Langem persönlich nahe. 

Indischer Nationalismus soll keine Ausrede sein

Auf dieses Argument setzt Adani auch in seiner Gegendarstellung. Die "unbegründeten" und "irreführenden Behauptungen" seien auch "ein kalkulierter Angriff auf Indien, die Unabhängigkeit, Integrität und Qualität der indischen Institutionen sowie die Wachstumsgeschichte und die Ambitionen Indiens", zitiert ihn die "Financial Times".

Hindenburg reagierte darauf wiederum mit einem eigenen Schreiben. Darin kritisiert der Shortseller Adani dafür, seine Wachstumsgeschichte "mit dem Erfolg Indiens selbst in Verbindung zu bringen". Unberücksichtigt seien hingegen die "verdächtigen Transaktionen mit Offshore-Unternehmen" geblieben. "Nationalismus" und eine "aufgeblasene Antwort" könnten den Betrug nicht vertuschen.

Hinter Hindenburg Research stehen der 38-jährige Gründer Nathan Anderson und gerade einmal zehn Angestellte. Leerverkäufer wie sie sind oft nicht beliebt, weil sie auf fallende Kurse wetten und andere Unternehmen für ihre eigenen Profitabsichten in Bedrängnis bringen. Die sogenannten Shorts leihen sich gegen Gebühr Aktien eines Unternehmens und verkaufen sie. Wenn der Aktienkurs fällt, kaufen sie die Aktien zu einem niedrigeren Preis zurück, geben sie dem Eigentümer wieder und behalten den Gewinn für sich.

Weil diese Wette für Hedgefonds und Unternehmen wie Hindenburg nur aufgeht, wenn die Kurse tatsächlich fallen, investieren sie viel Zeit und Geld in genaue Untersuchungen von Unternehmen. So unbeliebt ihre Methoden sein mögen, Shortseller sind oft die einzigen, die diese Ressourcen noch aufwenden und über die nötige Expertise verfügen. Im besten Fall werden so "schwarze Schafe" der Wirtschaft identifiziert und Betrügereien aufgedeckt. 

Haufenweise Schulden

Die Hindenburg-Recherchen kommen für Adani zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – zuletzt hatte die Gruppe für eine Expansion ins Mediengeschäft 24 Milliarden Dollar an Schulden angehäuft. Die Kreditbewerter von CreditSights hatten sogar gewarnt, das Unternehmen sei "überschuldet". Adani erklärte jedoch, der Verschuldungsgrad sei nach wie vor gesund.

Um die geplante Expansion zu finanzieren, gibt Adani gerade über seinen Industriekonzern Adani Enterprises Aktien im Wert von 2,4 Milliarden US-Dollar aus. Bisher wurde erst ein kleiner Teil der Aktien gezeichnet. Am Mittwoch erklärte Adani Enterprises, den Aktienverkauf wegen der Turbulenzen abzubrechen.

Der Artikel erschien zuerst auf capital.de

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