Vorsorge Pflegegrad: Worauf es bei der Antragstellung ankommt

  • von Annika Krempel
Ein Rentner mit Pflegegrad geht mit einem Rollator über einen Platz
Ein Rentner geht mit einem Rollator über einen Platz: Wer Hilfe benötigt, kann einen Pflegegrad beantragen
© BildFunkMV / Imago Images
Wer im Alltag Hilfe braucht, kann diese von der Pflegekasse bezahlen lassen. Voraussetzung ist ein Pflegegrad. Der Antrag geht schnell. Beim Gutachter sollten Antragsteller realistisch sein.

Gut fünf Millionen Menschen in Deutschland gelten nach Zahlen des Statistischen Bundesamts als pflegebedürftig. Sie erhalten Hilfe von Angehörigen oder professionellen Pflegern. Bezahlt wird die Unterstützung von der Pflegekasse – sofern ein Pflegegrad vorliegt.

Fünf Pflegegrade gibt es. Je höher eine Person eingestuft wird, desto umfangreicher sind die Leistungen der Pflegekasse. Der Antrag läuft über die Krankenkasse, dort ist die Pflegekasse angesiedelt. Privatversicherte wenden sich an ihr Versicherungsunternehmen. Zwar genügt offiziell ein Anruf. Florian Schönberg, Referent für Sozialpolitik beim Sozialverband Deutschland (SoVD), empfiehlt allerdings, eine formlose E-Mail oder einen Brief zu schicken, am besten als Einschreiben mit Rückschein. "Pflegekassen müssen innerhalb von 25 Arbeitstagen über einen Pflegegrad entscheiden", sagt er. "Deshalb sollten Versicherte nachweisen können, wann sie sich an ihre Versicherung gewandt haben."

Begutachtung für Pflegegrad gut vorbereiten

Im nächsten Schritt schickt die Pflegekasse den Versicherten die Formulare für den Antrag auf Leistungen aus der Pflegekasse zu. Wer beim Ausfüllen Hilfe braucht, kann sich entweder bei Pflegestützpunkten oder Sozialverbänden beraten lassen. Oder seine Fragen bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst stellen. Dieser ist dafür zuständig, den Antragsteller in einen Pflegegrad einzustufen. Bei den privaten Pflegekassen heißt der Dienst Medicproof. Die Gutachter besuchen die Antragsteller in der Regel zu Hause oder im Pflegeheim. Ziel ist, herauszufinden, wie selbstständig eine Person ihren Alltag bewältigen kann oder auf wie viel Unterstützung sie angewiesen ist.Es ist sinnvoll, sich auf die Begutachtung vorzubereiten. Etwa mit Notizen, in welchen Situationen Unterstützung nötig ist. Auch Unterlagen wie Arztbriefe oder der Medikationsplan sollten bereitliegen. "Am besten nimmt auch ein Angehöriger unterstützend an dem Gespräch teil, der zur Situation ergänzend berichten kann", rät Schönberg. "Und ganz wichtig ist, dass in dem Gespräch nichts beschönigt wird." Falls heute also ein guter Tag sein sollte, dann sollte auch ehrlich berichtet werden, wenn es an anderen Tagen schwieriger ist. Auf Grundlage der Gespräche schätzt der Gutachter mithilfe eines Punktesystems ein, wie stark die Fähigkeiten etwa in der Mobilität, Kommunikation und – das ist der wichtigste Faktor – bei der Selbstversorgung eingeschränkt sind.

Leistungen der Pflegekasse

Sobald der Bescheid der Pflegekasse mit einem Pflegegrad vorliegt, kann die Pflegeversicherung die Leistungen auszahlen – rückwirkend bis zum Tag des Antrags. Wer in einem Pflegeheim vollstationär untergebracht ist, bekommt einen Teil der Kosten von der Pflegeversicherung erstattet. Zwischen 125 Euro und 2005 Euro pro Monat übernimmt die Versicherung. Ab Pflegegrad zwei beteiligt sich die Kasse außerdem stärker an den Pflegekosten, je länger der Aufenthalt dauert.

Etwas unübersichtlicher sind die Leistungen für Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Es gibt etwa Zuschüsse zu Pflegehilfsmitteln oder für Umbauten der Wohnung. Die wichtigsten sind allerdings das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen. Diese erhalten Menschen erst ab Pflegegrad zwei. Das Pflegegeld wird ausgezahlt, falls die häusliche Versorgung selbst oder mit Hilfe von Angehörigen organisiert wird. 316 bis 901 Euro im Monat leistet die Pflegekasse. "Das Pflegegeld dient zur finanziellen Unterstützung. Wofür es genutzt wird, muss nicht nachgewiesen werden", sagt Schönberg.

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Beauftragt eine Familie einen ambulanten Pflegedienst, bekommt sie sogenannte Pflegesachleistungen: Die Pflegeversicherung bezahlt den Dienst. "Es ist auch möglich, beides zu kombinieren", sagt Schönberg. Wer zum Beispiel die Pflegesachleistungen nicht ganz ausschöpft, kann sich anteilig auch Pflegegeld auszahlen lassen.

Außerdem haben alle Pflegebedürftigen ab Grad eins, die zu Hause versorgt werden, Anspruch auf den monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro. Das Geld dürfen Pflegebedürftige einsetzen, um zum Beispiel eine Hilfe im Haushalt oder andere Alltagshilfen zu finanzieren.

Widerspruch lohnt sich oft

Nicht immer sind Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit der Einstufung durch den medizinischen Dienst einverstanden. Sie haben einen Monat ab Erhalt des Bescheids Zeit, Widerspruch einzulegen. Eine Begründung kann später nachgereicht werden. "Es ist sinnvoll, sich das Gutachten immer genau anzuschauen und mit den eigenen Notizen abzugleichen. So kann man darlegen, an welchen Stellen beispielsweise die Selbstständigkeit eingeschränkter ist, als der Gutachter dies einschätzt", so Schönberger. Ein Widerspruch lohne sich vor allem, wenn die Punktzahl des nächsthöheren Pflegegrades nicht weit entfernt ist.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Capital.

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