Umfrage Deutsche wollen mehr Sozialstaat

Die Deutschen sehen sich als Verlierer der Globalisierung - und das ausgerechnet im Land des Exportweltmeisters. Sie wünschen sich einen starken Staat und eine bessere soziale Absicherung.

Immer mehr Deutsche sehen sich als Verlierer der Globalisierung und setzen auf einen starken Staat. Die Hälfte der Bevölkerung geht davon aus, dass der weltweite Handel und Wettbewerb Arbeitsplätze kostet, ergab eine repräsentative Befragung des Bankenverbandes. Nur noch 55 Prozent meinen, dass sie in einer Wohlstandsgesellschaft leben - vor zwei Jahren waren es noch 65, vor sechs Jahren sogar 70 Prozent. Zugleich stieg der Anteil der Bürger, die mehr soziale Absicherung fordern, binnen zwei Jahren von 43 auf 60 Prozent. Der Bankenverband forderte als Konsequenz von der Politik ein schlüssiges Gesamtkonzept für Reformen, das den Menschen eine Zukunftsperspektive aufzeige.

Ausgerechnet beim Exportweltmeister Deutschland stößt der Umfrage zufolge die Globalisierung weiter auf große Vorbehalte: Nur ein Fünftel der Bevölkerung glaubt, dass die weltweite Vernetzung der Wirtschaft für sie mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt. Nahezu die Hälfte sieht Vor- und Nachteile in der Waage. In der Folge plädieren fast 80 Prozent der Deutschen für protektionistische Maßnahmen wie Schutzzölle oder Einfuhrbeschränkungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

Sinkender Lebensstandard erwartet

Die Verunsicherung durch die Globalisierung zieht sich wie ein roter Faden durch die Umfrage. Trotz des Aufschwungs der vergangenen Jahre erwarten sechs von zehn Deutschen, dass der Lebensstandard sinken wird. Auch die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft nimmt ab: Nur noch jeder Zweite meint, dass sie sich bewährt hat. Vor vier Jahren waren es 56, vor acht Jahren 70 Prozent. Andererseits werden die Unternehmen als leistungs- und wettbewerbsfähig wahrgenommen: 70 Prozent sehen sie für den globalen Wettbewerb gut gerüstet, 65 Prozent glauben, dass die Globalisierung die Absatzchancen heimischer Produkte erhöht.

"Die rückläufige Unterstützung für unsere Wirtschaftsordnung muss Politik und Wirtschaft gleichermaßen Sorgen bereiten", sagte der Geschäftsführende Vorstand des Bankenverbandes, Manfred Weber. Die Lösung liege nicht in einer Abschottung vom Weltmarkt oder in mehr staatlicher Absicherung. Der Koalition sei es jedoch nicht gelungen, die Menschen durch eine schlüssige Reformpolitik mitzunehmen. Stattdessen verzettele sie sich in Einzelproblemen wie der Wiedereinführung der Pendlerpauschale.

"Wenn die Menschen eine klare Zukunftsperspektive haben, sind sie auch bereit, sich dafür etwas abverlangen zu lassen", sagte Weber. Der Umfrage zufolge seien die Deutschen nämlich nicht grundsätzlich reformmüde. Nur ein Drittel der Befragten gab an, dass die Reformen der vergangenen Jahre in den Bereichen Gesundheit, Rente, Arbeitsmarkt und Steuern zu weit gegangen seien. Für 22 Prozent waren sie dagegen gerade richtig, 36 Prozent sagten, die Reformen seien nicht weit genug gegangen.

Reuters
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