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Wochenmarkt - die Wirtschaftskolumne zu Griechenland Wie es in Griechenland nach der Pleite weiterginge

Eine geordnete Insolvenz und ein zweiter Schuldenschnitt können nur Anfang zur Besserung sein. Warum Griechenland auch danach etliche Milliarden braucht, erklärt Thomas Straubhaar.

Falsch ist der Vorwurf an die Politik, sie habe die Zeit nicht genutzt. Sie hat in den letzten beiden Jahren sehr wohl dafür gesorgt, dass die sich dem Höhepunkt nähernde griechische Tragödie eben nicht (mehr) zu einem europäischen Horror führt. Wenn Griechenland zahlungsunfähig wird oder nicht mehr bereit ist, sich an Verträge, Versprechungen oder Vereinbarungen zu halten, dann ist der Euroraum heute in der Lage, die Folgen zu meistern. Die Gemeinschaftswährung wird nicht an Hellas scheitern. Die griechische Tragödie ist ein Desaster für Griechenland, aber kein wirkliches Problem (mehr) für Europa. Deshalb ist die Politik – anders als vor zwei Jahren – heute nicht mehr alternativlos. Vielmehr kann ruhig und sachlich ein Neustart geplant werden.

Richtig ist, dass der Mittelmeerstaat ohne weitere Hilfe von außen bei der nächsten Rückzahlung alter Schulden im September pleite ist. Für die Gläubiger käme es über Nacht zum GAU, der größten anzunehmenden Umschuldung, nämlich einem Totalverlust aller ihrer Forderungen. Das klingt schrecklich, ist aber dennoch besser als ein Schrecken ohne Ende. Denn der Kollaps dürfte mittlerweile nur noch einige wenige Finanzinstitute außerhalb des bankrotten Staates treffen, denn längst haben die meisten ihre Forderungen gegenüber griechischen Schuldnern eh abgeschrieben. Die Folgen der hellenischen Staatspleite sind somit begrenzt und das Risiko für den Euro ist gering.

"Bankenrettung statt Staatenrettung"

Der Neustart würde die Möglichkeit bieten, neue Wege zu gehen, die so oder so lieber früher als später einzuschlagen sind. Nicht nur (aber auch!) im Falle Griechenlands, sondern ebenso bei den anderen überschuldeten Euroländern, also für Portugal, Spanien oder Italien bedarf es eines Neuanfangs. "Bankenrettung statt Staatenrettung" und "Bankenunion statt Schuldenunion" weisen die Richtung aus der Eurokrise. Es geht darum, die Refinanzierung privater Banken von der Solvenz nationaler Staaten abzukoppeln. Wenn sich Geldhäuser unabhängig von der finanziellen Situation des jeweiligen Staates refinanzieren könnten, dann hätte eine Schuldenkrise des Staates keine direkten Auswirkungen auf die Kreditversorgung. Und wenn einzelne Staaten nicht mehr ihre nationalen Banken retten müssten, die von systemischer Relevanz für den gesamten Euroraum sind, würden einzelne Länder nicht immer stärker von den privaten Kreditmärkten abgestraft.

Eine Entkopplung von Staatsfinanzen und Kreditversorgung ist der entscheidende Schritt, um den Teufelskreis zwischen nationalen Schulden und Bankenkrisen zu durchbrechen. Dafür braucht der Euroraum einen gemeinsamen Restrukturierungsfonds. Mit seiner Hilfe kann eine europäische Bankenaufsicht Banken entweder gegen Auflagen oder das Abtreten von Aktien rekapitalisieren, verstaatlichen oder abwickeln. Zuzugeben ist, dass gerade im Übergang zu einem Neubeginn dieser Richtungswechsel nicht billig werden wird. Aber auch hier gilt dann eben, dass ein Ende mit Schrecken billiger als ein Schrecken ohne Ende ausfallen dürfte. Das gilt für Hellas genauso wie für alle anderen Euroländer.

Griechenland ist ein gescheiterter Staat

Für Griechenland (und im schlimmsten Fall auch für alle anderen Eurostaaten) bedeutet ein formaler Bankrott, dass die Schuldenuhren auf null zurückgestellt würden. So attraktiv es sein mag, über Nacht alle Forderungen los zu werden, so wenig werden damit die fundamentalen Ursachen des Schlamassels beseitigt. Die Strukturprobleme werden unverändert fortbestehen. Die Rezession hat das Land zu fest im Griff. Die Wirtschaftsleistung schrumpft. Die Arbeitslosigkeit steigt. Der Lebensstandard der Bevölkerung sinkt. Verarmung und Verelendung der Massen sind die Folgen. Deshalb wird die Neuverschuldung auch nach einem Bankrott sogleich weitergehen und der übernächste Schuldenschnitt wird so sicher kommen wie das nächste Weihnachtsfest. Zu dramatisch ist die allgemeine wirtschaftliche Lage, zu hoffnungslos erweist sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, zu sehr gleicht das finanziell am Abgrund stehende Land der DDR in ihren letzten Tagen.

Um es unmissverständlich zu formulieren: Griechenland ist ein "failed state", ein gescheiterter Staat. Da mangelt es nicht nur an Geld oder an international wettbewerbsfähigen Unternehmen. Es fehlt zuallererst an Rechtsstaatlichkeit. Solange Hellas die Transformation zu einem Staat nicht gelingt, dessen Institutionen europäischen Standards genügen, mit einer Regierung, die das Gemeinwohl und nicht das Eigeninteresse verfolgt, mit einer Verwaltung, die verlässlich funktioniert, mit einer Steuerbehörde, die Steuergelder einzieht und Steuerhinterziehung bestraft, gibt es keine Hoffnung auf eine nachhaltige Gesundung der griechischen Wirtschaft. Daran ändert auch eine geordnete Insolvenz nichts. Ein erneuter Schuldenschnitt kann somit bestenfalls ein Anfang zur Besserung sein. Er wird nichts daran ändern, dass Griechenland noch über viele Jahre sehr viel Unterstützung von außen benötigen wird.

Von Thomas Straubhaar

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