Sie stehen vor einem zerstörten Wohnheim – die Spuren der Verwüstung, die die Wassermassen hinterlassen haben, sind noch deutlich sichtbar. In der neuen Folge des "Climate Crime"-Podcasts sprechen Nachhaltigkeits-Influencerin und Unternehmerin Louisa Dellert und ihr Co-Host und Partner Markus Ehrlich anlässlich des Jahrestages der Flutkatastrophe im Ahrtal über die Geschehnisse von vor einem Jahr.
Die Katastrophe, die sich im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen abgespielt hat, wird wohl keiner der Betroffenen jemals vergessen: "Die Ahr, dieses harmlose Flüsschen, hat sich in ein Monster verwandelt", bringt es Ehrlich auf den Punkt.
182 Menschen sind gestorben, Hunderte weitere haben ihr Zuhause verloren – aber wirklich zu begreifen, was damals passiert ist, ist es auch ein Jahr später kaum. So ungeheuerlich ist das Schicksal der Menschen im Ahrtal und so verworren wird es, wenn man die Frage nach dem Warum stellt.
Betroffene der Ahr-Flut berichten
In der Podcastfolge werden nicht nur die Geschehnisse wiedergeben, es kommen vor allem betroffene Menschen zu Wort – aus abstrakten Zahlen werden Schicksale, die im Gedächtnis bleiben.
Ein Jahr nach der Flut: So sieht es heute an der Ahr aus
Die Hosts sind in die Kleinstadt Sinzig nahe der Ahr gereist. Dort steht das zerstörte frühere Wohnheim für Menschen mit Behinderung in der Pestalozzistraße. Es hieß "Lebenshilfehaus", ein nahezu makaberer Name bei dem, was sich dort später zugetragen hat: "Hier geht zunächst alles seinen ganz normalen Gang. Gemeinsames Abendessen, Fernsehen, Zähneputzen, Schlafanzug anziehen, und dann ab ins Bett", schildert Ehrlich den Abend in dem Wohnheim. "Dass hier gerade eine meterhohe Flutwelle auf die Straße zurollt, davon ahnt hier zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas."
Krisenstab ruft keinen Katastrophenalarm aus
Wie kann das sein, fragt sich das Moderatoren-Duo. Es gab doch Stunden zuvor die erste Unwetterwarnung des Landesumweltamts. Diese kam jedoch bei den meisten Bewohnern von Sinzig nie an. Das nahe gelegene Altenahr ist bereits überflutet, der Krisenstab unter der Leitung des zuständigen Landrats ruft dennoch keinen Katastrophenalarm aus – dies geschieht erst Stunden später. Die Pestalozzistraße sieht zu diesem Zeitpunkt bereits aus, als wäre sie selbst ein Fluss, der sich meterhoch aufbraust.
"Helft mir, ich will nicht sterben!"
"Man konnte nichts mehr sehen, nur braunes Wasser, in dem vieles vorbei schwamm. Unter anderem Autos, das war gespenstisch", schildert eine Anwohnerin. Sie hat Glück gehabt – in ihrer Wohnung im dritten Stock war sie sicher vor der Flut. Dass andere weniger Glück hatten, war ihr zunächst nicht bewusst bis sie Schreie aus dem Wohnheim gehört hat: "Jemand rief: 'Hilfe ich kann nicht schwimmen, helft mir, ich will nicht sterben.' Da haben wir auf einmal begriffen, mein Gott, wenn der da hängt, dann ist ja da unten alles überflutet …" Der Mann habe sich verzweifelt an einen Fensterrahmen festgeklammert, um sich vor dem reißenden Wasser zu retten. Was die Anwohnerin nicht wusste: Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwölf der im Wohnheim lebenden Menschen ertrunken.
Dellert ist überzeugt: Diese Menschen hätten nicht sterben müssen, wären sie früher gewarnt und die Situation nicht unterschätzt worden. Fassungslos erzählt sie Details über den genauen Ablauf des Abends: Warum war der Landrat für einen Fototermin vor Ort, ist danach aber Gassi mit dem Hund gegangen, statt zu handeln? Zunächst uneinig sind sich die Moderatoren bei der Frage, ob eine einzelne Person die Schuld für das Unglück trägt. Während Ehrlich sich fragt, ob man nicht "zu hart ins Gericht" gehe, vertritt Dellert den Standpunkt, dass einem dies bewusst sein sollte, wenn man so "ein Amt mit Verantwortung übernimmt".
Nicht das letzte extreme Wetterereignis
Viel Kritik gibt es auch an den Aufräumarbeiten nach der Flut: Während von der zivilen Bevölkerung aus ganz Deutschland große Hilfe geleistet wurde, fühlen sich viele Betroffene und Helfer von der Politik allein gelassen. "Wenn ich nach einem Jahr sehe, wie die ganzen Sachen hier ausschauen, kommt einem das blanke Kotzen hoch", ärgert sich einer der Helfer über die aus seiner Sicht mangelnde finanzielle Unterstützung.
Dass die Flutkatastrophe im Ahrtal nicht das letzte extreme Wetterereignis gewesen sein wird, zeigt das Gespräch mit dem Klimajournalisten und Autoren Toralf Staud: "Wissenschaftler warnen ja quasi jeden Tag davor, dass diese Erde ein beschissener Ort wird, wenn wir nicht aufpassen, und wenn wir diesen Klimawandel nicht beenden." Er erklärt, warum in Folge des Klimawandels vermehrt solche Ereignisse eintreffen werden und was wir dringend tun müssen, um uns darauf vorzubereiten.
Ehrlichs Fazit am Ende: "Climate Crisis ist real, das kann bei uns auch passieren. Und trotzdem spüre ich hier überhaupt kein Gefühl der Dringlichkeit – das macht mir wirklich Angst. Wir schalten auf Durchzug beim Thema Klimakrise und sind nicht bereit, uns der Herausforderung zu stellen."
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